Frauen haben Appetit auf mehr: Österreichs Arbeitsmarkt wird trotz Krise multi- kultureller.

Foto, Montage: Otto Beigelbeck

Die Fachkompetenz der MigrantInnen wird von Österreichs ArbeitgeberInnen massiv unterschätzt. Fast die Hälfte der im Ausland geborenen AkademikerInnen sind für ihren Beruf überqualifiziert, bei gebürtigen ÖsterreicherInnen liegt dieser Anteil bei weniger als einem Drittel, belegen Arbeitskräfteerhebungen. Ein Viertel der ZuwandererInnen mit Uni-Abschluss ist in Hilfs- und Anlerntätigkeiten beschäftigt. Bei den ÖsterreicherInnen sind das gerade zwei Prozent.

"Frauen nehmen das leider eher hin als Männer", sagt August Gächter. Der Projektleiter beim Zentrum für Soziale Innovation untersucht die Arbeitswelt von MigrantInnen. Gute Ausbildung schütze oft nach wie vor nicht vor Vorurteilen. Auch ein Hauch von Akzent könne Jobchancen von vornherein einschränken. Diskriminierungstests von Schweden über Frankreich bis Italien hätten gezeigt, dass 40 bis 50 Prozent aller ArbeitgeberInnen das Interesse an BewerberInnen mit ausländisch klingenden Namen verlieren. In Österreich sei das nicht viel anders.

Arbeitsplätze wackeln

Die Konjunkturkrise macht das Umfeld für MigrantInnen nicht einfacher. Österreich steuere bis Jahresende auf eine Rekordarbeitslosigkeit zu, warnt Andreas Schuh, Arbeitsmarktexperte beim Institut für Höhere Studien. Unter Druck seien Stellen für schlecht Qualifizierte. Und das treffe auch Frauen mit Migrationshintergrund stark.

Im Vergleich zu männlichen Migranten scheinen Jobs von Ausländerinnen derzeit aber noch krisensicherer zu sein. Im Jänner stieg ihre Arbeitslosigkeit um 0,8 Prozentpunkte auf 8,5 Prozent. Die Zahl unselbstständig Beschäftigter erhöhte sich um 3,3 Prozentpunkte. Bei den Männern gab es Rückgänge, ihre Arbeitslosenquote zog um 2,3 Prozentpunkte auf 14,8 Prozent an. Margit Kreuzhuber, Integrationsbeauftragte in der Wirtschaftskammer, sieht den Grund dafür im Wesen klassischer Frauenjobs. In der Pflege, in Sozialbereichen, Kindergärten und im Tourismus mangle es nach wie vor an Fachkräften.

Das ändere jedoch nichts daran, dass in Zeiten der Wirtschaftskrise gerade für Ausländerinnen mit wenig Ausbildung das Risiko für Arbeitslosigkeit zunehme. Neue Analysen der Forschungsinstitute Wifo und IHS verdeutlichen die extreme Schere zwischen den überdurchschnittlich hoch und nur sehr gering ausgebildeten Migrantinnen.

Mehr als 68 Prozent der Frauen aus dem früheren Jugoslawien etwa haben laut OECD maximal eine Pflichtschule absolviert. Die Akademikerinnenquote liegt bei 3,1 Prozent. Polinnen kommen auf mehr als 16 Prozent. Unter den türkischen Migrantinnen in Österreich haben lediglich zwölf Prozent eine über die Pflichtschule hinausgehende Ausbildung. Für besorgniserregend befinden Experten Statistiken zur Erwerbsquote der jungen Türkinnen: 1995 waren 17 Prozent der 15- bis 24-Jährigen in Karenz, 2002 fehlten bereits 32 Prozent am Arbeitsmarkt. Der Rückzug in die privaten Haushalte sei unübersehbar.

Die Hürden für Frauen auf dem Weg in den Arbeitsmarkt sind vielschichtig, sagt Kreuzhuber. Neben dem sozialen Hintergrund scheitere es an Sprachkenntnissen, an der fehlenden Anerkennung von Qualifikationen aus dem Ausland, aber auch an kulturellen Missverständnissen bei den Bewerbungen. Dazu kommt, dass viele Mädchen kaum über Berufsbilder informiert sind, ergänzt Gerda Challupner, Leiterin des AMS Jugendliche. Sie habe viele Auf und Abs der Konjunktur miterlebt - stets hätten sich junge Migrantinnen in diesen Phasen nur noch mehr an traditionelle Berufsbilder geklammert. Und noch immer herrsche die Ansicht vor, die Mädchen sollten gleich zu arbeiten beginnen, statt sich auszubilden.

Raus aus der Opferrolle

Manuela Vollmann und Angela Tragauer engagieren sich als Mentorinnen für zugewanderte arbeitslose Frauen; für das Projekt sucht die Wirtschaftskammer weitere Experten. Die aktuelle Krise verunsichere Frauen stark, sagt Vollmann, vielen fehlten berufliche Netzwerke. Die Frauen müssten lernen, aus ihrer Opferrolle zu kommen, sich nicht nur nach Schema F zu bewerben, sich in die Lage der Arbeitgeber zu versetzen, meint Tragauer.

Die Gründung eines eigenen Betriebs wagen nur wenige Frauen. Aber es gibt sie, erzählt Nilgül Raeke, Leiterin von Mingo Migrant Enterprises, einer Beratung für Jungunternehmer. Ihre Vorbereitungen seien gründlich, die Geschäftsideen vielversprechend und der Wille, sie umzusetzen, enorm. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print, 21.2./22.2.2009)