Bild nicht mehr verfügbar.

Wenn es um Stimmen der Übersee-Franzosen geht, nimmt Nicolas Sarkozy den weiten Weg bis Guadeloupe doch gerne auf sich.

Foto: Reuters/Kessler

"Europa" ist eine Insel. Und das nicht nur im übertragenen Sinne. "Europa" liegt zwischen Madagaskar und Mosambik im Indischen Ozean und ist etwa so groß wie Wien-Simmering. Das kleine Eiland gehört seit 1897 zu Frankreich und trägt seinen prominenten Namen, weil 1774 ein britisches Schiff namens "Europa" dort vor Anker ging. Die kleine Insel "Europa" ist unbewohnt, von einer Schildkrötenkolonie abgesehen. Obwohl das benachbarte, weit größere Madagaskar in der Geschichte immer wieder auf seinen Anspruch auf das kleine Stück Land stellte, befindet sich Europa nach wie vor fest in Pariser Hand. So wie eine ganze Menge anderer Inseln und Territorien, deren Einwohner teils in Euro zahlen, EU-Pässe besitzen und bei der Europawahl im Juni ihre Stimmen abgeben können. Privilegien, die Bestrebungen zu mehr Unabhängigkeit dieser ehemaligen Kolonien meist übertünchen.

DOM/TOM

Die französischen Überseegebiete, früher als DOM/TOM (Département d'outre-mer - Territoire d'outre-mer, Überseedepartements und Überseeterritorien, Anm.) bezeichnet, erstrecken sich quer über die Erdkugel. Von Französisch-Polynesien im Pazifik über Martinique in der Karibik bis Saint-Pierre et Miquelon an der Ostküste Kanadas: sie eint die Zugehörigkeit zum französischen Mutterland, auch wenn sie in ganz unterschiedlicher Weise an die französischen und europäischen Institutionen angedockt sind.

Seit der Verfassungsänderung von 2003 firmieren die DOM/TOM unter dem Begriff La France d'outre Mer. Vier davon sind, was ihre Verwaltungsstruktur betrifft, den Departements am Festland gleichgestellt: Guadeloupe, Martinique, Reunion und Französisch-Guyana. Sie sind zwar Teil der EU; das Schengener Abkommen gilt für sie jedoch nicht. 2,5 der 67 Millionen Franzosen wohnen in den Überseegebieten. Die französische Gerichtsbarkeit gilt aufgrund der Autonomie aller Überseegebiete nicht überall, auf der Insel Mayotte nahe Madagaskar etwa können sich die Bewohner entscheiden, ob sie statt des französischen Rechts nach der islamischen Scharia beurteilt werden wollen.

Drei EU-Abgeordnete

Als französische Staatsbürger dürfen die Bewohner dieser Gebiete auch an den Wahlen zum EU-Parlament teilnehmen, drei der 78 französischen EU-Abgeordneten bei der EU-Wahl 2004 wurden von ihnen gestellt. Von den insgesamt 577 französischen Wahlkreisen befinden sich 22 in Übersee. Der kleinste aller Wahlkreise ist mit nur etwas mehr als 6.000 Wahlberechtigten jener in Saint-Pierre-et-Miquelon. Für die Europawahl werden alle Überseegebiete in einem von acht "Super-Wahlkreisen" zusammengeschlossen. Wohl auch, um die Distanz zum fernen Kontinent zumindest auf dem Papier zu verringern.

Fast 1,5 Millionen Bürger hatten bei der vergangenen Wahl Stimmrecht, laut Angaben des Pariser Innenministeriums machten davon nur knapp 28 Prozent auch Gebrauch (zum Vergleich waren dies in Gesamtfrankreich 43 Prozent). Als Sieger ging der Reunioner Sozialist Jean-Claude Fruteau hervor, die vietnamesischstämmige Ärztin Margie Sudre, ebenfalls von der Insel Reunion, sitzt als Delegationsleiterin der Sarkozy-Partei UMP im Straßburger Parlament. Paul Verges schließlich, auch er aus Reunion, zog für die Kommunisten, die auf der Insel auf eine lange Tradition verweisen können, in das Europäische Parlament ein. Ob die Franzosen in Übersee begeistertere Europäer sind als ihre Landsleute am Festland, ist indes nicht bekannt. Die Statistiken von Eurobarometer weisen keine Daten für einzelne Departements aus. (flon/ derStandard.at, 19.2.2009)