Debian kann wohl als eine der traditionsreichsten Distributionen in der Linux-Welt bezeichnet werden: 1993 vom mittlerweile bei Sun für OpenSolaris tätigen Ian Murdock ins Leben gerufen, mauserte sich Debian über die Jahre wohl zu DER Linux-Community-Distribution schlechthin.

Gemeinsam

Während bei anderen Unterfangen maßgeblich Unternehmen im Hintergrund stehen - bei Fedora Red Hat, bei openSUSE Novell - so wird Debian weitestgehend von freiwilligen MithelferInnen getragen. Ein eigener "Social Contract" und eine Art Debian-"Verfassung" regeln dabei das Auskommen unter den Beteiligten.

Stabil

Über die Jahre hat sich Debian vor allem für seine hohe Stabilität eine Namen gemacht, wo andere Distributionen schon mal etwas überschnell neue Features implementieren, geht Debian äußerst vorsichtig mit Neuerungen um. Eine Herangehensweise, die allerdings auch dazu führt, dass Debian bei der Aktualität der Softwareausstattung traditionell etwas hinterherhinkt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Mit dem steigenden Interesse am Bereich Linux-Desktop, das maßgeblich vom Debian-Ableger Ubuntu angetrieben wird, versucht das Projekt in letzter Zeit aber auch hier eine wichtigere Rolle einzunehmen. Schon mit der letzten Version hat man Installation und Konfiguration der oft - zu Unrecht - als lediglich für Linux-Profis geeignet bezeichneten Distribution vereinfacht.

Trends

Ein Trend, der sich mit Debian 5.0 "Lenny" fortsetzt: Seit kurzem steht die neue Generation der Linux-Softwaresammlung zum Download bereit. Dabei steht eine beeindruckende Fülle  an Optionen zur Auswahl, so unterstützt Debian mittlerweile nicht weniger als 12 verschiedene Prozessorarchitekturen, mit der neuen Release ist eine Ausgabe für ARM-CPUs hinzugekommen.

Auswahl

Die meisten BenutzerInnen werden sich wohl aber auf die 32- und 64-Bit-Ausgaben für x86-CPUs stürzen, wo ihnen dann allerdings zunächst einmal wieder diverse Optionen zur Verfügung stehen: Die bandbreitenschonendste sind dabei die sogenannten Netinstall-Images, die nur das zur Installation nötige Basis-System enthalten, die individuelle Softwareauswahl wird einfach nach Bedarf aus dem Netz nachgeladen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Alternativ dazu gibt es aber auch die gewohnten CD- oder DVD-Install-Images, die die meisten Pakete gleich mitliefert. Wer wirklich den gesamten Pool aller verfügbaren Debian-Pakete auf einem lokalen Datenträger haben will, der müsste dafür übrigens schon mehrere DVD-Images herunterladen. So umfangreich wie bei Debian - mehr als 23.000 Pakete - ist die Auswahl sonst bei keiner anderen Linux-Variante.

Grafisch

Der Default-Installer zeigt sich bei Debian traditionellerweise in einem Text-Interface (siehe letztes Bild). Seit Debian 5.0 steht nun im Bootloader aber auch eine andere Option ganz offiziell zur Auswahl: Der Start eines grafischen Installers.

Interface

Sieht man einmal davon ab, dass hier ein GTK+-Interface zum  Einsatz kommt und sich das Ganze auch per Maus steuern lässt, ist dieser allerdings praktisch ident mit dem Text-basierten Interface.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Im konkreten Fall muss dies allerdings nicht notwendigerweise etwas Negatives bedeuten, immerhin ist auch der Debian-Installer über die Jahre wesentlich einfacher nutzbar geworden. Die einzelnen Schritte sind recht einfach durchzuführen, der Großteil läuft ohnehin automatisch ab.

Verschlüsselung

An der einen oder anderen Stelle gibt es dann gar Positives zu bemerken: So erlaubt Debian 5.0 eine Vollsystemverschlüsselung auch mit dem grafischen Installer, eine Option, die etwa beim aktuellen Ubuntu noch immer der Alternate-CD vorbehalten ist.

Aufteilung

Auch um die Einrichtung des Logical Volume Management kümmert sich Debian in diesem Fall von selbst. Zusätzlich lässt sich noch zwischen drei Default-Layouts für die Plattenaufteilung (also etwa mit getrennter Home-Partition oder ohne) wählen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

So lässt sich denn die Partitionierung recht flott erledigen - so man denn nichts manuell vornehmen will. Denn für solche Fälle ist der Debian-Installer noch recht unkomfortabel in der Nutzung.

Sparta

Gerade an diesem Fall zeigt sich dann halt auch, dass es nicht immer Sinn macht, alles 1:1 vom Text-Interface zu übernehmen. Das derzeit hier Gebotene wirkt nämlich reichlich spartanisch bzw. unübersichtlich.

Auswahl

Nach der Softwareauswahl anhand von unterschiedlichen Nutzungsprofilen - also etwa Desktop, Laptop, Web- oder Mail-Server - beginnt auch schon die Installation der einzelnen Programmpakete. Dem folgt nur mehr die Einrichtung des Bootloaders Grub, nach der bereits ins neue System gebootet werden kann.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Dieses präsentiert sich gegenüber der Vorgängerversion deutlich aktueller - mit dem Update-Drang anderer Distributionen kann man hier allerdings weiterhin nicht ganz mithalten. So befindet sich bei Debian 5.0 etwa ein Kernel 2.6.26 im Einsatz, alle anderen großen Distributionen liefern hier schon seit einigen Monaten 2.6.27 mit. Dies hat durchaus konkrete Auswirkungen, so funktioniert bei Debian so manche aktuelle Hardware nicht, die beim Mitbewerb bereits unterstützt wird.

Freeze

Das dem so ist, liegt primär an Debians hohen Stabilitätskriterien. So wurde der Feature Freeze - der unter anderem die Aufnahme neuer Programmversionen begrenzt - schon im Juli 2008 ausgerufen. Ein Zeitpunkt zu dem von Kernel 2.6.27 - oder gar dem mittlerweile aktuellen .28 - noch weit und breit nichts zu sehen war.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Die Rolle des Default-Desktops nimmt bei Debian 5.0 weiterhin der GNOME ein, konkret ist hier die Version 2.22 enthalten. Aktuell ist seit vergangenem September die Release 2.24.

Austausch

Eine Wahl, die allerdings wiederum eine Reihe von anderen Problemen mit sich gebracht hat: Immerhin hatte GNOME 2.22 eine der tiefgreifendsten Änderungen in der Desktop-Plattform in den letzten Jahren gebracht - den Austausch der gesamten virtuellen Dateisystemebene.

Bugs

Eine Problematik, mit der auch Ubuntu in seiner letzten "Long Term Support"-Release zu kämpfen hatte: Viele der Bugs oder fehlenden Funktionalitäten wurden erst mit GNOME 2.24 wieder nachgeliefert.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Um diesen Schwierigkeiten - bzw. umfangreichen Backports - zu entkommen, hat sich Debian auf die konservative Herangehensweise verlassen: Jene Teile, die in GNOME 2.22 bereits auf das neue gio/gvfs gesetzt haben, wurden durch ihre Vorgängerversion ausgetauscht.

Nautilus

Konkret betrifft das vor allem den Dateimanager Nautilus, der der primäre Nutzer der entsprechenden Funktionalität ist. So ist dieser in der Version 2.20 enthalten, die noch auf das - in der aktuellen GNOME-Entwicklung weitgehend abgelöste - gnome-vfs setzt.

Server

Ganz gut mit dabei ist man hingegen beim Grafikserver, X.org ist in der Version 7.3 enthalten. Dabei kommt man nun auch hier von Haus aus ohne der einst so zentralen Einstellungsdatei xorg.conf aus.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Debian 5.0 liefert in weiten Teilen einen unmodifizierten GNOME-Desktop ab, dies betrifft nicht nur den Look, sondern auch die Programmausstattung. In jenen Fällen, wo man dann doch abweicht, erinnert das Ganze etwas an Ubuntu 8.04, etwa wenn noch das seperate Audio-CD-Brennprogramm Serpentine mitgeliefert wird, das - nicht nur - bei Ubuntu mittlerweile durch die Allround-Lösung Brasero abgelöst wurde.

Schlank

Besonderen Wert legt man bei Debian auf einen möglichst schlanken Desktop, und zwar durchaus erfolgreich: So gibt sich auch die neue Version äußerst Ressourcen-schonend, gerade einmal etwas mehr als 80 MByte verbraucht der GNOME hier nach dem Start.

Mono

Vom Upstream-GNOME weicht man außerdem insofern ab, dass Debian keine Mono-Pakete von Haus aus installiert. Wer also Tomboy und Co. nutzen will, muss diese erst nachträglich manuell einrichten.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Die für das Einspielen zusätzlicher Pakete und die Update-Verwaltung zuständigen Programme sind ident mit jenen von Ubuntu. Alternativ steht auch hier das altbewährte - und ohnehin aus der Debian-Welt stammende - Synaptic zur Verfügung.

Aktiv

Wer will, kann bei den Softwarequellen übrigens auch einfach die "nicht freien" Repositories aktivieren. Dies hat den Effekt, dass künftig beim Start von Videos im Movie-Player Totem automatisch die entsprechenden Multimedia-Codecs zur Installation vorgeschlagen werden. Flash fehlt allerdings auch hier, wer mit dem freien swfdec nicht auskommt, muss sich die Software von Adobe über ein externes Repository besorgen.

Ausstattung

Zu den weiteren Softwareeckpunkten gehören OpenOffice.org 2.4.1 - aktuell ist 3.0.1 - und GIMP 2.4.6, auch hier ist man Upstream bereits eine zeitlang in der 2.6.x-Reihe angekommen. Firefox - bzw. Iceweasel, den Firefox-Ableger ohne offizielles Branding - gibt es hingegen in der aktuellen Version 3.0.6, immerhin sind alle seit der Version 3.0 freigegebenen Updates nur Fehlerbereinigungen - fallen also nicht unter den Feature Freeze.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Neuere Features wie das Sound-Framework Pulseaudio verweigert man bei Debian 5.0 konsequenterweise noch, dafür wird nun das freie Java OpenJDK unterstützt. Negativ macht sich der vorsichtige Ansatz allerdings im Bereich Netzwerk bemerkbar: Der NetworkManager 0.6.6 lässt einige wichtige Features der 0.7-Reihe vermissen, etwa die simple Integration vom UMTS-Datenkarten oder die einfache Konfiguration mehrerer Profile.

KDE

Freilich ist Debian keineswegs GNOME-only so ist auch der zweite große Desktop hier vertreten: Den Umstieg auf KDE4 wollte man dabei allerdings noch nicht vollziehen, also ist die Version 3.5.10 integriert. Weitere Alternativen in diesem Bereich sind unter anderem Xfce 4.4.2 und LXDE 0.3.2.

Auswahl

Hingewiesen sei noch einmal explizit darauf, dass man bei Debian nicht notwendigerweise auf die veralteten Softwareversionen beschränkt ist, wer etwas abenteuerlustiger ist, kann über den Testing-Zweig der Distribution auch wesentlich neuere Pakete erhalten.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Für den Server-Einsatz empfiehlt sich so etwas natürlich nur begrenzt, hier werden die meisten wohl den Stable-Zweig vorziehen. Im konkreten Fall bietet dieser unter anderem Apache 2.2.9, MySQL 5.1, PostgreSQL 8.3 und Nagios 3.

Sicherheit

Zusätzlich hat man einige grundlegende Sicherheitsverbesserungen vorgenommen, die Debian-Systeme stärker gegen Angriffe absichern sollen. Dazu zählt etwa das "Hardening" des Systems gegen Pufferüberläufe mittels der entsprechenden Funktionen in der GCC oder auch die Integration der Hardening-Patches für PHP.

Virtuell

Im Bereich Virtualisierung ist die Auswahl eine große, neben KVM wird auch Xen 3.2.1 unterstützt. Vor allem für den Desktop interessant ist Virtualbox, auch wenn die integrierte Version 1.6.6 der Software die Unterstützung für aktuellere Linux-Distributionen vermissen lässt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Für Debian-BenutzerInnen ist die neue Version ohnehin ein Pflicht-Update, bietet sie doch einige wichtige Aktualisierungen. Bei allen anderen kommt es wohl stark auf den eigenen Fokus an, ob die neue Version von Interesse ist.

Auswahl

Für den Server-Einsatz ist auch Debian 5.0 wieder bestens geeignet, am Desktop ist die Situation hingegen etwas komplexer. Wer neueste Softwareausstattung und einfache Konfiguration haben will, ist wohl  bei Ubuntu und Co. besser aufgehoben. Wer hingegen nach stabilen Arbeits-Workstations sucht, sollte ruhig mal einen Blick auf die neue Release werfen. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 22.02.2009)

Screenshot: Andreas Proschofsky