Alfred Autischer ist CEO Deputy der Trimedia International.

Foto: Trimedia/Rigaud

Bild nicht mehr verfügbar.

Helmut Elsner zu Beginn der Urteilsverkündung im Bawag-Prozess.

Foto: APA/Hochmuth

Bild nicht mehr verfügbar.

Autischer: "Vor allem Herr Elsner hat seine neue öffentliche Rolle als bad guy nicht wahrnehmen wollen."

Foto: APA/Pfarrhofer

Bild nicht mehr verfügbar.

"PR-Supergau": Deusche Bank-Chef Ackermann mit "Victory"-Zeichen zu Beginn des Mannesmann-Prozesses. Er wurde zwar freigesprochen, sein Ruf aber nachhaltig geschädigt.

Foto: AP/Berg

Was haben Meinl-Bank, Waffenlobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly, Siemens, Mercedes oder der Thüringer Ministerpräsident Althaus gemeinsam? Gegen alle läuft ein Verfahren der zuständigen Staatsanwaltschaft. Und über alle Fälle wird auch in den Medien heftig diskutiert.

Für einen Teil der Öffentlichkeit reicht oft schon die Aufnahme eines Verfahrens aus, ein Unternehmen oder eine Person "schuldig" zu sprechen. Hier sind Rechtsanwälte und Kommunikationexperten gefragt. Litigation PR nennt sich diese Kommunikationsdisziplin, sie soll helfen "Verfahren zu vermeiden, Verfahren zu gewinnen und vor allem die Reputation des Klienten schützen", so der amerikanische Autor Robert H. Bork.

"Agieren statt reagieren ist auch hier meistens die beste Kommunikationsstrategie", erklärt PR-Experte und CEO von Trimedia im derStandard.at-Interview, doch "manchmal ist es wirklich besser, den Medien gegenüber nichts zu sagen". etat.at befragte ihn zum Bawag-Prozess, dem Verhältnis zwischen Juristen und PR-Fachleuten und den Einfluss auf Richter.

etat.at: "Oil and Water" oder "Law is from Mars, public relations from Venus": So beschreiben Gostomzyk und Nordlohne in ihrem Blog zu Litigation PR das Selbstverständnis von Anwälten und PR-Experten. Wie erklären Sie Juristen die Notwendigkeit von Litigation PR?

Autischer: Na ja, ganz so ist es nicht wie zwischen Frauen und Männern. Die meisten Wirtschaftsanwälte haben den Wert von guter Kommunikation erkannt. Bei den anderen reicht es, ihnen zu zeigen, was die Gegenseite an PR macht. Das bringt dann alle Beteiligten rasch auf die Sprünge.

etat.at: Nach wie vor hört man oft: "No comment": Wie stehts hierzulande um das Bewusstsein bei Juristen und auch betroffenen Unternehmen für Ligitation PR? Ist hier Bereitschaft vorhanden, mit PR-Profis zusammenzuarbeiten?

Autischer: "No comment" ist auf den ersten Blick für viele leider noch immer die sicherste Methode. Es sind aber selten die Anwälte, es sind die Hausjuristen und die Betroffenen selbst, die Angst vor der Öffentlichkeit haben. Ich versuche in solchen Fällen alle Varianten und deren Konsequenzen durchzugehen und die Entscheidungen gemeinsam mit den Klienten und den Juristen zu treffen. Aktuelle Beispiele helfen hier ganz besonders.

Meistens aber werde ich erst angerufen, wenn die Sache schon in den Zeitungen steht. Dann stellt sich die Frage nach "comment" oder "no comment" oft schon gar nicht mehr. In der Praxis bewährt sich übrigens eine gute Mischung aus beidem. Manchmal ist es wirklich besser, den Medien gegenüber nichts zu sagen. Das heißt ja nicht, dass man intern und den wichtigsten Stakeholdern gegenüber nicht kommuniziert. Litigation PR ist bei weitem nicht nur Medienarbeit.

etat.at: Der Hamburger Strafrechtler Strate sagt im aktuellen brand eins, er hält es für gefährlich "Promoter einzuschalten". Er wolle über Zeitpunkt einer Offensive, die Argumentation und Kontakte zur Presse selbst entscheiden. Was entgegnen Sie ihm?

Autischer: Was sich hier zeigt, ist Brotneid. Manche Anwälte fürchten um ihr Honorar und um ihren Führungsanspruch. In der Sache ist klar, dass solche Entscheidungen gemeinsam und als Team zu fällen sind.

etat.at: Litigation PR soll dabei helfen, Verfahren zu gewinnen. Das heißt im Prinzip nichts anderes, als Richter und Staatsanwälte zugunsten des zu vertretenden Unternehmens (auch) mittels Medienarbeit und der daraus resultierenden öffentlichen Meinung zu beeinflussen. Ein Widerspruch zur Auffassung, dass alle vor Gericht gleich sind und objektiv entschieden wird?

Autischer: Unser erstes und wichtigstes Ziel ist der Schutz der Reputation unserer Klienten. Außerdem wollen wir verhindern, dass die öffentliche Meinung zu früh und ohne Kenntnis der Sachlage über Richtig oder Falsch, Schuldig oder Unschuldig und Gut und Böse entscheidet. Ich sehe es so, dass wir mit unserer Arbeit etwas mehr Abstufung in die Diskussion bringen. Einseitiger medialer Druck bringt politischen Druck und beides ist für die Richter und die Urteilsfindung nicht wirklich hilfreich. Ich könnte auch sagen, wir nehmen mit unserer Arbeit etwas Druck aus dem Prozess.

Es geht nicht darum, Gerichte oder Staatsanwälte zu beeinflussen. Wenn man so will, haben wir es bei jedem größeren Prozess mit zwei Gerichten zu tun. Dem "court of law" und dem "court of public opinion". Uns in der Kommunikation geht es um das öffentliche Gericht, um die öffentliche Meinung. Dort wollen wir den Prozess gewinnen. Natürlich sind auch Richter und Staatsanwälte Medienkonsumenten. Aber die rechtlich verbindliche Urteilsfindung findet in der westlichen Demokratie immer noch im geregelten Gerichtsverfahren selber statt.

Litigation PR kann dazu beitragen, dass Rechtsstreitigkeiten erst gar nicht vor Gericht kommen, weil die öffentliche Aufmerksamkeit eine einvernehmliche Einigung der Parteien sinnvoller erscheinen lässt. Litigation PR kann dazu beitragen, über die öffentliche Debatte neue und für das Verfahren relevante Erkenntnisse zu gewinnen. Und sie kann dazu beitragen, dass das Urteil in der Öffentlichkeit in unserem Sinne interpretiert und verstanden wird, die Gerichte beeinflussen können wir nicht.

etat.at: Bawag-Prozess: Hätte das Urteil gegen Elsner und Flöttl mit dem Einsatz von Litigation PR anders ausgehen? Was ist hier falsch gelaufen?

Autischer: Der Fehler ist wie meistens gleich am Beginn passiert. Bereits mit den ersten Medienberichten werden ja die Rollen verteilt. Gut und Böse waren in diesem Falle schnell vergeben. Als externer Beobachter hatte man den Eindruck als ob beide Herren lange Zeit den Ernst der Lage nicht einsehen wollten.

Vor allem Herr Elsner hat seine neue öffentliche Rolle als bad guy nicht wahrnehmen wollen. Er hat einfach nicht verstanden, dass es in Österreich sehr viele gab und gibt, die froh sind, dass die Scheinwerfer alle auf ihn gerichtet sind. Als dann Frau Elsner persönlich begonnen hat, für Verständnis für ihren Mann zu werben und aus der Schwarz-Weiß-Darstellung raus wollte, war es schon zu spät. Nun reicht es nicht einmal mehr für ein öffentliches Verständnis für eine Haftentlassung.

etat.at: Der Staatsanwalt ermittelt gegen mein Unternehmen. Wie soll jetzt vorgegangen werden? Wie schauen die einzelnen Schritte aus?

Autischer: Leider ist es – um mit Sinowatz zu sprechen – kompliziert und jeder Fall für sich zu betrachten. Eine Regel bewährt sich aber fast immer: Bevor die Staatsanwaltschaft oder die Konkurrenz mit diesem an und für sich ja noch nicht inkriminierenden Sachverhalt an die Öffentlichkeit geht, sollte man es selbst tun. Agieren statt reagieren ist auch hier meistens die beste Kommunikationsstrategie.

Ein Litigation-Team, bestehend aus dem Vorstand, dem unternehmensinternen Juristen, einem externen Rechtsberater und einem Kommunikationsprofi sollte installiert werden und rasch die Entscheidungen treffen. Der Unternehmenssprecher ist hier mit dabei, tritt aber idealer Weise nach außen in dieser Sache nicht als Sprecher auf.

etat.at: Das Potenzial für Litigation PR in Österreich?

Autischer: Wie in allen anderen europäischen Ländern auch. Litigation PR wird immer wichtiger. Der Hauptgrund aus meiner Sicht: Die neuen Online-Medien und die Mitmachmedien machen es zunehmend leichter, Gerüchte anzustoßen. Mein Aufgabengebiet ist nicht nur die Begleitung von juristischen Auseinandersetzungen, ich arbeite für unsere Klienten zunehmend an der Abwehr geschäfts- und persönlichkeitsschädigender Gerüchte. Und die werden immer gefinkelter. (Astrid Ebenführer, derStandard.at, 19.2.2009)