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Der EU-Skeptiker Vaclav Klaus. 

Foto: REUTERS/Francois Lenoir

Der tschechische Staatspräsident Václav Klaus hielt eine Rede vor dem EU-Parlament und genoss sichtlich die Rolle des Provokateurs. Die Europäische Union gehe mit ihrer Reform der Institutionen in die falsche Richtung, sagte er.

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Mit Applaus, Buhrufen und spürbarer Nervosität empfing das EU-Parlament am Donnerstag in Brüssel den tschechischen Präsidenten Václav Klaus, einen der prominentesten Kritiker des EU-Reformvertrages. Während der Rede des tschechischen Staatsoberhauptes verließen dann vor allem viele sozialdemokratische und liberale Abgeordnete den Plenarsaal.

Klaus sagte, es gebe auch aus heutiger Sicht für sein Land keine Alternative zu einer EU-Mitgliedschaft. Dies sei aber nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte bestehe aus fundamentaler Kritik an den Institutionen der EU und dem Vertrag von Lissabon, der einen großen weiteren Schritt in die falsche Richtung bedeute: "Ich befürchte, dass die Versuche, die Integration immer weiter zu beschleunigen und zu vertiefen und die Entscheidungen über die Lebensbedingungen in immer größeren Umfang auf europäische Ebene zu verlagern, in Folge alles Positive gefährden könnte, was in den letzten 50 Jahren in Europa erreicht worden ist."

Kritik übte Klaus vor allem am Europaparlament. Die Beziehung zwischen den Bürgern eines Mitgliedstaates und den Repräsentanten der EU sei keine normale zwischen dem Wähler und dem gewählten Politiker. Dies führe zu Demokratiedefiziten und Bürokratisierung. Die Vorschläge zur Änderung - also der Reformvertrag - würde "diesen Defekt" nur noch vergrößern.

Auch eine Stärkung des EU-Parlamentes stelle hier keine Lösung dar, da "weiterhin der Demos - ein europäisches Volk - fehlt." Ebenfalls keine Lösung sei die Unterdrückung der einzelnen Mitgliedstaaten unter dem Motto einer neuen multikulturellen und multinationalen europäischen bürgerlichen Gesellschaft. "Das sind Versuche, die in der Vergangenheit immer gescheitert sind."

Die Wirtschaft der EU könnte besser laufen, sagte Klaus. "Es muss offen gesagt werden, dass das heutige wirtschaftliche System der EU ein System des unterdrückten Marktes und der kontinuierlichen Stärkung der zentralen Lenkung der Wirtschaft ist."

Ganz in diesem Sinne gebe es auch eine falsche Interpretation der gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzkrise: "Es wird gesagt, dass der freie Markt das verursacht hat. Das Gegenteil ist wahr: Grund für die Krise ist die politische Manipulation des Marktes." Eine Erklärung für diese These lieferte Klaus auch auf Nachfrage nicht.

Auf der anschließenden Pressekonferenz - die nicht wie sonst üblich im EU-Parlament zusammen mit dem Parlamentspräsidenten Hans-Gert Pöttering stattfand, sondern in der Ständigen Vertretung Tschechiens - ließ Klaus offen, ob er den Reformvertrag unterzeichnen werde: "Ein Schachspieler verrät auch nicht vorher seine Züge," gab sich Klaus kryptisch.

Wie berichtet, hat das tschechische Abgeordnetenhaus am Mittwoch den Reformvertrag ratifiziert. Die zweite Kammer des Parlaments, der Senat, wird vermutlich erst im April darüber abstimmen. Dann müsste noch Klaus die Ratifikation unterzeichnen. "Falls ich überhaupt unterzeichne, dann nur nach einem positiven irische Referendum," hatte er bisher immer gesagt.

Die Liste der Reaktionen auf die Rede reichte von "sehr peinlich" seitens der Klaus-Kritiker bis zu "skandalöser Respektlosigkeit der EU-Fanatiker" , durch die Gegner des Reformvertrages.

Die SPÖ-Delegationsleiterin im EU-Parlament, Maria Berger, warf Klaus vor, die Zeichen der Zeit nicht zu verstehen. Seine "eigenwillige" These zur Wirtschaftskrise, diese sei durch zu viel staatlichen Eingriff in die Märkte entstanden, bezeichnete Berger als "komplett falsch" . Nur zu provozieren, ohne einen konstruktiven Beitrag zu leisten, reiche nicht. Der Grüne Daniel Cohn-Bendit meinte: "Václav Klaus hat den richtigen Moment für seinen Auftritt vor dem europäischen Parlament gewählt, denn wir sind mitten im Karneval. Die Grünen verleihen ihm daher den Karnevalsorden für den besten Provokateur des Jahres. In diesem Haus wurde noch nie eine in der Substanz bessere Karnevalsansprache gehalten." (Michael Moravec aus Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 20.2.2009)