Budapest/Warschau/Prag/Bratislava/Bukarest (APA/dpa) - Den ersten Schock der globalen Krise erlebten die Osteuropäer beim Blick auf die Wechselkurse: Von Warschau über Prag und Budapest bis Bukarest sinkt der Wert der Landeswährungen im Verhältnis zum Euro seit dem vorigen Herbst in den Keller - und ein Ende der Sturzflugs ist nicht abzusehen. Von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer wird fast jeden Tag von "psychologischen Grenzen" gesprochen, die Zloty, Krone, Forint und Leu im Wechselkurs überschreiten. Einzige Ausnahme ist das neue Euro-Land Slowakei.

Der einst stolze polnische Zloty, früher stärkste Währung in der europäischen Nicht-Euro-Zone, verfiel seit dem vergangenen Sommer im Wechselkurs um sage und schreibe 54,3 Prozent. Die tschechische Krone und der rumänische Leu büßten von Anfang 2008 bis Mitte Februar 2009 etwa 20 Prozent ihres Euro-Werts ein. Am wenigsten Federn ließ ausgerechnet der ungarische Forint mit minus 13 Prozent, obwohl Ungarn Ende 2008 kurz vor dem Staatsbankrott stand. Die Rettung kam durch ein Kreditpaket von 20 Mrd. Euro, von Seiten des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Europäischen Zentralbank (EZB) und der EU.

Nachdem nun der Zloty auf dem niedrigsten Stand seit dem EU-Beitritt Polens 2004 angelangt ist, kündigte der Warschauer Regierungschef Donald Tusk jetzt eine Intervention gegen den Verfall an. Mit EU-Mitteln sollen nun massiv Euro verkauft werden.

Heikle Interventionen

Interventionen des Staats auf dem Devisenmarkt gelten als heikel. Eine ähnliche Maßnahme der ungarischen Regierung durch sprunghafte Anhebung des Leitzinses um drei Prozentpunkte im vorigen Herbst wurde von heimischen Experten verurteilt. Sie sei am Ziel, Währungsspekulanten abzuschrecken, vorbeigegangen, hieß es. Ungarns Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany ließ im Gespräch mit Journalisten jetzt offen, ob Ungarns Notenbank erneut intervenieren könnte. Im Gegensatz zu Polen würden in Ungarn alle Außenfinanzierungen, darunter auch die EU-Mittel, bei der Nationalbank deponiert, sagte Gyurcsany. Dies helfe, die heimische Währung zu stützen.

Auch in Rumänien werden Interventionen der Notenbank mit größter Vorsicht gehandhabt. Ungarn und Rumänien haben Erfahrungen mit Attacken von Wechselkurs-Spekulanten, die ihren Profit gerade aus der schnellen Ab- und Aufwertung der Währungen ziehen. In diesen Ländern, aber auch in Polen, ist es aber umstritten, ob eine schnelle Einführung des Euro von Vorteil wäre.

In der Regel ist ein Wertverfall der Währung in osteuropäischen Ländern mit kostenintensiver Produktion für die dortigen Exporteure von Vorteil. In der jetzigen Krise ist dies aber anders. Wie der ungarische Notenbank-Chef Andras Simor und der ungarische Industriellenverband erläuterten, liegt das Problem im schnellen Tempo der Entwertung. Dies sei für jeden Unternehmer unkalkulierbar. In Tschechien hat deswegen etwa der Autobauer Skoda begonnen, alle Verträge auf Euro-Basis zu berechnen. Zudem brechen wegen der globalen Krise auch in Osteuropa die Exporte ein, so dass Wechselkurs-Vorteile nicht zu Buche schlagen.

Erdrutsch

Vom derzeitigen Erdrutsch hat demnach kaum jemand etwas. Am meisten leidet die Bevölkerung. Die Polen, die früher wegen ihres starken Zloty sorglos in Westeuropa einkaufen konnten, erleben nun, wie Deutsche und Slowaken bei ihnen auf Schnäppchenjagd gehen. Die größten Sorgen haben jene Polen, Rumänen und Ungarn, die bis zum Ausbruch der Krise Wohnungsbaukredite in Devisen aufgenommen haben, die die Banken bis dahin großzügig erteilt hatten. Devisenkredite wirkten damals wegen niedrigerer Zinsen günstiger als Darlehen in den einheimischen Währungen. In Polen waren 70 Prozent derartiger Kredite in Schweizer Franken erteilt worden. Auch viele Ungarn setzten dabei auf die eidgenössische Währung, während die Rumänen sich eher in Euro verschuldeten.

Nun zahlen die Schuldner die Zeche dafür mit ihren zerbröselnden Zloty, Forint und Lei - wenn sie es denn schaffen. In Rumänien wird befürchtet, dass die Zahl der Zwangsvollstreckungen zur Eintreibung von Bankschulden um 30 Prozent steigen wird. In Polen stieg der Wert der Kredite, die nicht mehr zurückgezahlt werden, allein in den vergangenen vier Monaten um 26,6 Prozent auf 1,9 Mrd. Zloty (389 Mio. Euro).

Im neuen Euro-Land Slowakei gehen die Menschen unterdessen mit ihrer starken Währung auf Schnäppchenjagd in die Nachbarländer. Doch angesichts der Wirtschaftskrise treibt auch die Slowaken die Sorge um ihre Zukunft um, wobei der Euro nicht nur als Vorteil gilt. Jüngst gab ein Experte der Unicredit-Bank zu bedenken, dass der Verfall der Nachbarwährungen gegenüber dem nun auch slowakischen Euro die bisherigen Lohnkostenvorteile gefährden. Die Slowakei wäre dann plötzlich im Vergleich zu den Nachbarn kein Billiglohnland mehr. (APA)