Über den Dächern von Mumbai: Dev Patel in "Slumdog Millionär"

Foto: Filmladen

Los Angeles - Die diesjährigen Oscarpreisträger stehen seit Dienstag fest - aber selbstverständlich gilt bis zur Preisvergabe in der Nacht von Sonntag auf Montag höchste Geheimhaltungsstufe. Bekannt ist nur, dass die Wahlzettel der 5.810 abstimmenden Mitglieder der Filmakademie in Los Angeles bis zum Dienstag abgegeben sein mussten. Eine eigens beauftragte internationale Buchführungsfirma erfasst die Voten und versiegelt die Namen der Gewinner in folienbeschichteten, undurchsichtigen Umschlägen. Die beiden Leiter der Wahlprozedur, Brad Oltmann und Rick Rosas, sind nach Angaben der Akademie die einzigen, die die Ergebnisse vor der Oscar-Nacht kennen. Die begehrtesten Filmpreise der Welt werden bei einer Gala in Los Angeles vergeben, die in mehr als 200 Ländern der Welt live übertragen wird  - am Montag ab 2.00 Uhr MEZ.

Favoritengemunkel

Die jüngsten Gerüchte über Siegeschancen sehen einen Favoritenwechsel zugunsten des  britischen Regisseurs Danny Boyle: Für "Slumdog Millionär" gab es zahlreiche wichtige Regie- und Produzentenpreise und den Golden Globe in den beiden wichtigsten Kategorien "Beste Regie" und "Bester Film". Als größter Konkurrent wird der dreizehnfach nominierte "Der seltsame Fall des Benjamin Button" von David Fincher gehandelt, aber weder Fincher noch der als Hauptdarsteller nominierte Brad Pitt glauben angeblich daran, die Verleihung triumphal zu verlassen. Gus Van Sant mit "Milk", Ron Howard mit "Frost/Nixon" und Stephen Daldry mit "Der Vorleser" dürften sich bereits auf einen recht gemütlichen Abend eingestellt haben.  Kaum jemand zweifelt daran, dass Winslet für ihre Rolle in "Der Vorleser" als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wird - auch wenn Meryl Streep ("Glaubensfrage") noch für ein kleines bisschen Nervenkitzel sorgen darf. Und dass Hollywood Geschichten wie jene von Mickey Rourke liebt, weiß man: Ein tief gefallener Star, der sich nicht zuletzt mit seiner Rolle in "The Wrestler" wieder mühsam ins Rampenlicht gekämpft hat - da wird Sean Penn ("Milk") sicher gern zurückstecken.

Indische Spieler fiebern der Oscar-Verleihung entgegen - und setzen hohe Summen auf Auszeichnungen für  "Slumdog Millionär". Die indische "Economic Times" berichtete vergangene Woche, die illegalen Wetteinsätze beliefen sich nach Schätzungen auf rund eine Milliarde indische Rupien (knapp 16 Millionen Euro). Ein Mitarbeiter eines der illegalen Wettbüros in der westindischen Film- und Finanzmetropole Bombay, in der der Streifen spielt, sagte dem Blatt, man nehme Wetten auf beste Musik, bester Regisseur und bester Film an. Die Gewinnquote für die Kategorie bester Film etwa liege bei 1,53 zu 1.

Stastistik der Doppelsieger

Im Rennen um den besten nicht-englischsprachigen Film gilt "Waltz with Bahir" als hoher Favorit der Buchmacher.  Allgemein wird auch bezweifelt, dass die Oscar-Nominierung von Götz Spielmanns "Revanche" ein Jahr nach dem österreichischen Gewinn des Auslands-Oscars durch Stefan Ruzowitzkys "Die Fälscher" für die heurigen Gewinnchancen ein Vorteil ist. Seit der Academy Award für fremdsprachige Filme 1957 aber offiziell eingeführt wurde, gelang immerhin achtmal ein solcher Doppelschlag. Frankreich und Italien durften in den 1950er, 60er und 70er Jahren gleich dreimal über zwei Oscars in aufeinanderfolgenden Jahren jubeln.

In den zehn Jahren vor der offiziellen Einführung des Auslands-Oscars vergab die Academy of Motion Picture Arts and Sciences eigene Ehrenoscars bzw. Spezialpreise für Filme, die nicht im angelsächsischen Sprachraum produziert wurden. Diese gingen an so bekannte Regisseure wie Vittorio De Sica, Rene Clement oder Akira Kurosawa. Seitdem spricht die Statistik eine klare Sprache für Frankreich und Italien. Gleich 35 Mal waren französische Filme als "Best Foreign Language Film" nominiert, mit zehn Siegen haben italienische Filme aber die Nase knapp vorn.

Der erste "Doppelsieg" gelang Federico Fellini, der insgesamt vier Academy Awards errang, gleich in den ersten beiden Jahren der neu geschaffenen Kategorie mit "La Strada - Das Lied der Straße" 1957 und "Die Nächte der Cabiria" 1958. In den beiden Jahren darauf holten Jacques Tati mit "Mein Onkel" und Marcel Camus mit "Orfeu Negro" die Statuette nach Frankreich. In den nächsten beiden Jahren dominierte der Schwede Ingmar Bergman mit "Die Jungfrauenquelle" und "Wie in einem Spiegel".

Fellini mit "Achteinhalb" (1964) und De Sica mit "Gestern, heute und morgen" (1965) sowie Elio Petri mit "Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger" (1971) und erneut De Sica mit "Der Garten der Finzi-Contini" (1972) machten die weiteren Doppelschläge Italiens perfekt. In den folgenden Jahren blieb Frankreich wieder mit Luis Bunuels "Der diskrete Charme der Bourgeoisie" (1973) und Francois Truffauts "Die amerikanische Nacht" (1974) sowie Moshe Mizrahis "Madame Rosa" (1978) und Bertrand Bliers "Frau zu verschenken" (1979) erfolgreich.

Der letzte Doppelsieg gelang einem kleinen Land, das für sich Ende der 80er in Anspruch nehmen durfte, eines der aufregendsten Filmländer Europas zu sein, und Mitte der 90er Jahre mit dem Dogma-Manifest für Aufsehen sorgte. Dänemark holte mit "Babettes Fest" (1988) von Gabriel Axel und "Pelle der Eroberer" (1989) von Billie August zum letzten Mal in zwei aufeinanderfolgenden Jahren den Auslands-Oscar. Die Ausgangssituation ist vielleicht ähnlich wie für Österreich: Ein zweiter Oscar nach dem Erfolg 2008 würde das sogenannte "Filmwunder" quasi offiziell machen.   (APA/dpa)