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Sabah al Tememi (35) ist eine der rund 3.900 Frauen, die bei den Wahlen in 14 der 18 Provinzen Ende Jänner kandidierten: "Die Menschen im Irak müssen sich nur daran gewöhnen, Frauen in Führungspositionen zu sehen."

Foto: APA/AP/Hadi Mizban

Bagdad - Auch wenn in der irakischen Regionalversammlungen Frauen mit ziemlicher Sicherheit etliche Sitze einnehmen werden, heißt das nicht, dass sie es leicht haben werden, in dieser Männergesellschaft akzeptiert zu werden.

Frauen Tür zu politischer Teilhabe öffnen

Per Gesetz müssen rund 25 Prozent der 444 Sitze in den Regionalversammlungen von 14 Provinzen an Frauen gehen, selbst wenn dadurch eine Kandidatin einzieht, die weniger Stimmen hatte als männliche Mitbewerber. Die Quote, dank derer bereits 75 weibliche Abgeordnete im nationalen Parlament vertreten sind, war auf Druck der USA eingeführt worden. Ziel ist es, Frauen die Tür zu politischer Teilhabe zu öffnen und der jungen Generation Mut zu machen.

Doch Kandidatinnen klagen über Widerstände weit und breit. Sabah al Tememi ist eine der rund 3.900 Frauen unter den über 14.400 Bewerbern, die bei den Wahlen in 14 der 18 Provinzen Ende Jänner kandidierten. Im Wahlkampf hatte sie an Wänden und Mauern in Bagdad Plakate geklebt, die ihr Gesicht zeigten, und das auch noch ohne Kopfbedeckung. "Ich trage im Alltag kein Kopftuch, also warum sollte ich der Stimmen wegen so tun als ob?" Doch selbst ihre eigene Familie sei gegen die Plakate gewesen, räumte sie ein.

So oder so nicht passend

Die irakische Verfassung schreibt gleiche Grundrechte für Mann und Frau vor, ob es um Wahlen geht, um Grundbesitz oder das Recht, vor Gericht zu klagen. Doch über die Rolle der Frau in der Gesellschaft gehen die Auffassungen immer noch stark auseinander.

Die frühere politische Gefangene Inaam Hamid trug bei ihrer Kandidatur für die Bagdader Regionalversammlung die Abaja, die traditionelle schwarze Umhüllung, aber noch nicht einmal das war recht. "Ob du bedeckt bist oder nicht, du kannst einfach nicht gewinnen", sagte Hamid. "Ich musste mir anhören: 'Hast du denn gar kein Schamgefühl - Abaja tragen und das Gesicht auf dem Wahlplakat zeigen?'"

Frauenministerin zurückgetreten

Selbst Frauen in Regierungsämtern haben zu klagen. Die Ministerin für Frauenfragen, Naual al Samarraie, legte kürzlich als Protest gegen Mittelkürzungen ihr Amt nieder. Die Behörde bietet Frauen Hilfe, die seit dem amerikanischen Einmarsch 2003 ihre Ehemänner oder andere männliche Angehörige durch Gewalttaten oder Verhaftungen verloren haben. Ihr Etat wurde Al Samarraie zufolge von 7.500 Dollar (5.900 Euro) auf 1.500 Dollar (1.200 Euro) monatlich zusammengestrichen.

Problem mit der Quote

Die Vorsitzende des Parlamentsausschusses für Frauenangelegenheiten, Samira al Mussaui, ist für die Quote. Aber sie sieht auch, dass es noch ein weiter Weg ist. "Wir Frauen brauchen kein Ministerium, das uns vertritt. Wir brauchen fähige Frauen in jedem Ministerium des Landes", forderte sie. Frauen in politischen Ämtern brauchten finanzielle Unterstützung und den Rückhalt der Regierung. Vertreter der Wahlleitung hätten ihr versichert, dass die 25-Prozent-Quote erfüllt werde. Aber die Sitzverteilung bleibe abzuwarten. "Die Quote ist eine gute Strategie, aber das Problem liegt in der Anwendung", sagte Al Mussaui. "Der Irak bleibt eine patriarchalische Gesellschaft, und die Wahl einer Frau wird eigentlich nicht wertgeschätzt."

Scham, für eine Frau zu stimmen

Frauen, die sich in den öffentlichen Raum vorwagen, wird vorgehalten, gegen hergebrachte Sitten zu verstoßen. "Drei Jahre lang musste ich mich verkleiden, damit ich meine Arbeit machen konnte", sagte Hamid, die 2005 für die schiitische Partei Oberster Islamischer Rat im Irak (SIIC) einen Sitz in der Bagdader Regionalversammlung einnahm. Die 43-Jährige half dabei, Berufsbildungskurse für Frauen einzurichten und sicherzustellen, dass Gewaltopfer angemessen entschädigt werden. Doch all das galt wenig, als sie für die Wahlen am 31. Jänner kandidierte. Viele IrakerInnen hätten ihr erklärt, dass sie keine Frau in einer solch öffentlichen Rolle akzeptierten. "Manche Männer - auch viele gebildete - sagten mir, sie würden sich schämen, für eine Frau zu stimmen", sagte Hamid. "Auch Frauen glauben, dass nur ein Mann die Macht hat, in Anspruch zu nehmen, was ihnen rechtmäßig zusteht."

Gewöhnungsprozess

Al Tememi gründete ihre Wahlkampagne zum Teil darauf, Frauen zu helfen, und zum Teil darauf, ihnen ein Beispiel zu geben. "Lasst das ein Experiment für uns werden", meinte sie. "Die Menschen im Irak müssen sich nur daran gewöhnen, Frauen in Führungspositionen zu sehen." (AP)