Berlin - In Kambodscha hat vor dem Tribunal zur Aufarbeitung der Schreckensherrschaft der Roten Khmer der erste Prozess gegen ein hochrangiges Mitglied des Regimes von Pol Pot begonnen. Es folgen einige wichtige Fakten zu dem Gericht:

- Warum nimmt das Tribunal erst jetzt seine Arbeit auf?

Kambodscha hat vor mehr als einem Jahrzehnt die Vereinten Nationen um Unterstützung bei der Einrichtung eines Tribunals gebeten, wollte aber gleichzeitig die Kontrolle über das Gericht behalten. Beide Seiten legten jahrelang jeweils eigene Entwürfe vor und verwarfen die Vorschläge der Gegenseite. Schließlich gab die UNO 2005 ihre Zustimmung zur sogenannten Außerordentlichen Kammer der Gerichte Kambodschas, die nach weiteren Verzögerungen von drei Jahren ihre Arbeit aufnahm.

- Wie arbeitet das Tribunal?

Die modernisierte, auf dem Justizsystem der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich basierende Rechtsprechung Kambodschas sieht bei dem Tribunal die Zusammenarbeit von Richtern und Anklägern aus mehreren Ländern vor. Um ein Urteil fällen zu können, werden in der ersten Instanz, die aus drei kambodschanischen und zwei ausländischen Richtern zusammengesetzt ist, vier Stimmen benötigt. Das Berufungsgericht ist ähnlich strukturiert. Experten hoffen, dass das Experiment in der internationalen Rechtsprechung Schule machen wird. Kritiker sehen jedoch die Integrität des Tribunals wegen Korruptionsvorwürfen und politischer Meinungsverschiedenheiten beschädigt. Die Regierung in Phnom Penh wies die Vorwürfe zurück.

- Wer wurde bisher angeklagt?

Kaing Guek Eav (Kang Kek Iev), genannt "Duch", gehört zu den fünf früheren Khmer-Kadern, die wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt sind. Neben ihm sollen dem ehemaligen Präsidenten Khieu Samphan, Ex-Außenminister Ieng Sary und seiner Frau Ieng Thirith sowie dem sogenannten "Bruder Nummer zwei", Nuong Chea, der Prozess gemacht werden. Der als "Bruder Nummer eins" berüchtigte Pol Pot starb 1998. Staatsanwälte aus dem Ausland wollten zudem sechs weitere Personen vor Gericht bringen, was von der kambodschanischen Anklägerin jedoch abgelehnt wurde. Kritiker sehen darin den Versuch der Regierung Kambodschas, das Tribunal an zu detaillierten Nachforschungen zu hindern. Andere Beobachter forderten zudem eine Untersuchung der Rolle der USA und Chinas, die beide das Regime von Pol Pot (1975-79) lange unterstützt hatten, ehe es von vietnamesischen Truppen gestürzt wurde.

- Welche Auswirkungen hat das Tribunal auf die Bevölkerung?

Überlebende und andere zivile Gruppen dürfen über ihre Anwälte Fragen und Anträge stellen. Es wird erwartet, dass über 90 Parteien vor Gericht zugelassen werden. Die Überlebenden hoffen, dass die Urteile den Weg für eine neue Ära des Frieden und Gerechtigkeit ebnen. Zudem sollen die jüngeren Kambodschaner mehr über die Zeit der Roten Khmer erfahren, über die sie bisher häufig wenig wissen. Mehr als die Hälfte der 14 Millionen Einwohner kamen erst auf die Welt, nachdem Pol Pot 1979 durch vietnamesische Truppen vertrieben worden war. (APA/Reuters)