Wien - Für bessere Beziehungen zwischen Russland und der EU - durch mehr Wissen voneinander - will sich das im Juli neugegründete "International Center for Advanced and Comparative EU-Russia/NIS Research (ICEUR)" mit Sitz in Wien, das jetzt operativ wird, einsetzen. ICEUR-Präsident Erhard Busek bezeichnete das neue Forschungszentrum bei einer Pressekonferenz am Freitag in Wien als "österreichisches und europäisches Bedürfnis", weil Russland ein zentraler Partner für die EU sei.

"Nische"

Geschäftsführer und Vizepräsident Hans-Georg Heinrich sprach von einer "Nische", die das Zentrum besetze, weil es die Projekte gemeinsam mit den russischen Partnerorganisationen - darunter die Russische Akademie der Wissenschaften, die Moskauer Hochschule für Wirtschaftswissenschaften oder der Investitionsfonds der Russischen Föderation - aussuche und auch Spannungsfelder und "brennende Probleme" aufgegriffen werden sollen.

Das österreichische Wissenschaftsministerium unterstützt das Zentrum, das sich in seinem Selbstverständnis der Unparteilichkeit verschrieben hat, als Fördergeber. Ohne politische Kontakte funktioniere die Forschung nicht, sagte der Politikwissenschaftler. Man wolle nicht ausschließlich um der Forschung selbst willen agieren, sondern brauchbare Ergebnisse liefern.

Unabhängigkeit zu Zeiten einer Rezession

"Wir sind unabhängig, und hoffen, dass wir unabhängig bleiben, obwohl das nicht leicht ist unter den Bedingungen der Rezession in Russland", sagte Ruslan Grinberg von der Russischen Akademie der Wissenschaften. Russland befinde sich in einer Rezession, von der noch keiner wisse, wie lange sie dauern werde, fügte er hinzu.

Man wolle keine Politik machen, sondern Inhalte auch für politische Diskussionen liefern, so Busek. Österreich genießt seiner Meinung nach einen "Vertrauensvorsprung" in Russland. Der SPÖ-Europaabgeordnete Hannes Swoboda plädierte für eine "strategische Partnerschaft" zwischen Russland und der EU, die auch Differenzen wie den Bereich Menschenrechte nicht ausklammern solle. Man sollte Russland bei Uneinigkeiten "nicht automatisch die Schuld zuschieben". Bezüglich der gemeinsamen Nachbarländer solle ein "positiver Wettbewerb" zwischen beiden Seiten entwickelt werden, der darauf ausgerichtet sei, wer welchem Land mehr Positives bieten könne.

Vorurteile

Der Journalist Vladimir Pozner von der "Russischen Fernsehakademie" betonte, dass Medien oft ein negatives Image der jeweils anderen Seite konstruierten. Auch wenn das mitunter nicht absichtlich geschehe, aber über die Jahre hätten sich Vorurteile entwickelt. Die Medienberichterstattung sollte im Hinblick auf mehr Objektivität analysiert werden. Alexander Lebedew, Präsident des russischen Internationalen Instituts für Globale Entwicklung, sprach von einem schlechteren Image Russlands als es verdiene.

Lebedew überbrachte wohlwollende Grüße vom früheren russischen Präsidenten Michail Gorbatschow. Das Forschungszentrum wolle sich unter anderem mit den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Westeuropa und dem post-sowjetischen Raum, Menschenrechten oder den Rechtssystemen befassen. Aber etwa auch mit dem Islam, der "einer der kritischsten Punkte zwischen Europa und Russland" sei, so Alexej Malaschenko vom Moskauer Zentrum der Carnegie-Stiftung. (APA)