Wien - Seinen Job ist er los, aber seine Ehre will er verteidigen: Jener Islam-Lehrer, der in einer Kooperativen Mittelschule (KMS) in Wien angeblich antisemitische Boykottlisten verteilt haben soll, bestreitet das (siehe Interview unten).

Schon zuvor hatte der "Muslimische Lehrerverein Wien" betont, der Lehrer habe das nie getan, Schüler hätten solche Zettel verteilt. Darauf zu lesen waren unter anderem McDonald's, Coca-Cola, Fanta, Nestlé oder Levi's.

Das Bildungsministerium wertete die Unterschrift des Lehrers unter eine Weisung von Bezirksschulinspektor und Schuldirektor, in dem ihm politische Agitation im Unterricht untersagt wird, als Eingeständnis. Damit habe er "Einsicht in ein Fehlverhalten dokumentiert", hieß es im Stadtschulrat. Das Dienstverhältnis zwischen dem Lehrer und der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) ist jedenfalls auch aufgelöst worden - einvernehmlich, sagte Sprecherin Carla Amina Baghajati. Dennoch wolle die Glaubensgemeinschaft die Vorfälle möglichst lückenlos aufklären.

In der KMS Brüßlgasse ist der Lehrer vor diesem Vorfall "in dieser Hinsicht" aber nie aufgefallen, sagt Direktor Karlheinz Fiedler. Er wartet nun auf den neuen Lehrer von der IGGiÖ: "Sie werden uns in Kürze einen zuteilen." Grundsätzlich müsse man Lehrern vertrauen können, dass sie das Schulgesetz kennen, er werde den neuen Kollegen aber extra darauf hinweisen.

SP-Gemeinderat und IGGiÖ-Integrationsbeauftragter Omar Al-Rawi begrüßte den "Schritt" von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SP), die am Donnerstag ein Unterrichtsverbot gegen den Lehrer "wegen Gefahr im Verzug" gefordert hatte - "wenn die Vorwürfe stimmen". Al-Rawi fordert die 400 Islam-Lehrer in Österreich zudem auf, sich eine Vertretung oder einen Sprecher zu suchen, um ihre Interessen an den Schulen zu wahren. Oft würden sich muslimische Pädagogen dort als Fremdkörper fühlen, zugleich sei es notwendig, "um sich von schwarzen Schafen in den eigenen Reihen abzugrenzen. Ich hoffe sehr, dass es nicht mehr davon gibt."

Prompt kündigten die Islam-Lehrer am Freitag an, eine Gewerkschaft gründen zu wollen, um ihre Rechte gegenüber der Glaubensgemeinschaft und deren Schulamt wahrnehmen zu können. Denn hier gebe es "eine Menge Defizite", erklärte Karim Bouralem, ein Vertreter des vor einigen Wochen gegründeten "Islamlehrerkomitees".

Ein anderes Mitglied des Komitees, Hisham Albaba, nennt im Gespräch mit dem Standard auch die Forderung nach mehr Mitsprache. Gerade angesichts der Studie über die Demokratie-Skepsis unter Islam-Lehrern zeuge es nicht gerade von hohem Demokratiebewusstsein, wie mit den Islam-Lehrern in ihrem beruflich-religiösen Umfeld umgegangen werde. Es werde nur über sie geredet, aber nicht mit ihnen. Sie wollen "Mitspracherecht in allen Gremien der Glaubensgemeinschaft, aber auch bei den Gesprächen auf politischer Ebene".  (Peter Mayr/ Lisa Nimmervoll/ Nina Weißensteiner/DER STANDARD, Printausgabe, 14./15.2.2009)