Sechsmal in der Woche, immer vormittags, beginnt in der kleinen Bergbaistadt Metlaoui die spektakuläre Reise mit dem Zug "Lèzard Rouge" in die Seldja-Schlucht.

Foto: Brigitte Breth

Der Luxuszug Rote Eidechse durchfährt den ersten Tunnel, es eröffnet sich ein toller Ausblick auf den "coup de sabre" - den legendären Säbelhieb.

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Gut zu erreichen sind von den Oasen auch jene wüstenhaften Landschaften, die mit George Lucas' "Star Wars" schlagartig berühmt wurden. In Onk El Jmel stehen sogar noch einige Kulissen, die jederzeit zugänglich sind.
Ein eigener "Star Wars-Reiseführer" durch Tunesien (theswca.com/travel/tunisia.html) führt aber auch die Nichtfans zu herrlichen Plätzen.

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Im Privatzug von Bey Mohamed Naceur Pacha nähert man sich den Bergoasen des Djebel El-Negueb auf dem bestem Weg

Foto: Brigitte Breth

Unmittelbar nach der Ankunft am Flughafen der Oasenstadt Tozeur beschleunigt der schwere Geländewagen geradeaus hinein in die Sanddünen. Flott steuert er aufwärts, hüpft seitwärts drehend und setzt dann schlingernd auf. Freilich hätten wir auf der Suche nach der legendären Eisenbahn des Bey von Tunis auch selbst einen Mietwagen lenken können. Im Idealfall aber reist man mit Chauffeur - bestenfalls mit Saad Khenich, der einem nicht nur die Vorzüge seines "cheich" , des traditionellen Kopfschutzes der Berber, hier am Rande der Wüste erklärt. Sehr bald wird er zum Vertrauten einer solchen Reise, mit den Fähigkeiten, kleinste Veränderungen im Sand zu lesen - und nebenbei per Handy Zugtickets zu reservieren.

Wer dennoch auf eigene Faust den Bahnhof in Metlaoui erreichen möchte, fährt eine knappe Stunde auf gut befestigter Asphaltpiste in Richtung Norden - und kommt der schönsten Bergkette im südlichen Tunesien, den östlichsten Ausläufern des Atlas nahe der Grenze zu Algerien, bereits recht nahe.

Sechsmal in der Woche, immer vormittags, beginnt in dieser kleinen Bergbaustadt die spektakuläre Reise mit dem Zug "Lézard Rouge" . Die eleganten, rot getäfelten Waggons der "Roten Eidechse" , sechs an der Zahl, mit Messingbeschlägen und schmiedeeisernen Auftritten, füllen sich rasch mit internationalem Publikum zur besten Reisezeit: Es ist Winter - strahlend blau der Himmel, die Temperaturen liegen bei 25 Grad. An ihrem Endbahnhof bei Redeyef wird die Bahn kehrtmachen und zum Ausgangspunkt fahren - Fahrzeit: zwei Stunden für 32 Kilometer.

Bey der Eisenbahn

1574 wurde Tunesien Teil des Osmanischen Reiches, regiert von dessen Statthalter, dem Bey. Als das Land dann 1881 unter französisches Protektorat gestellt worden war, standen dem herrschenden Bey immerhin noch die Hoheitsrechte für die Eisenbahn zu. Die Pionierzeit des europäischen Eisenbahnbaus hatte begonnen, und Frankreich zeigte großes Interesse am Ausbau der Netze Nordafrikas.

Sein Debüt als touristische Attraktion erfuhr der herrschaftliche, gut restaurierte Zug erst vor gut 20 Jahren. Nach Ausrufung der Unabhängigkeit Tunesiens im Jahr 1956 landete er erstmal auf dem Abstellgleis, als unerwünschtes Symbol einer nunmehr abgeschüttelten Kolonialmacht. Als nobles Geschenk der französischen Besetzer an den Bey Mohamed Naceur Pacha kam der repräsentative Zug 1911 nach Tunesien, gefertigt von den führenden Werkstätten Frankreichs. Im Dienste der nachfolgenden Beys spurte er jahrzehntelang auf seiner Stammstrecke Tunis-LeBardo-HammamLif-LaMarsa.

Gezogen von einer kraftvollen, orangefarbenen Diesellok, rollt der Zug nun aus den Häuserzeilen Metlaouis hinaus, westwärts. Bequem sitzt man in ledergepolsterten Coupés, die Räder stampfen im 4/4-Takt. Am offenen Schiebefenster zieht die Landschaft wie ein Film vorbei: Im Vorspann karge Steinwüste, innerhalb von Minuten wachsen Berge in die Höhe und werden schroffer, rötlicher. Die fesch livrierten Zugbegleiter servieren bald heißen Pfefferminztee, der Zug pfeift, durchfährt einen kurzen Tunnel und hält für den ersten Fototermin: am "coup de sabre" - Säbelhieb genannt nach einer Legende über den schlagkräftigen Berberprinzen Al-Mansour. In Liebeswirren verwickelt, schnitt er auf der Flucht kurzerhand seinen Verfolgern den Weg an dieser besonders engen Stelle ab.

Historische Quelle im Canyon

Breit öffnet sich nach dem nächsten Tunnel das palmengeschmückte Tal. Über eine Brücke rattert der Zug dann in die Seldja-Schlucht durch den bis zu 200 Meter hohen Canyon dem Ursprung seiner Geschichte entgegen: Nahe der Quelle Raas al-Ajoun entdeckte Philippe Thomas in den 1880er-Jahren zufällig Phosphat. Der Veterinärmediziner und Amateur-Geologe aus Frankreich absolvierte in Tunesien seinen Militärdienst, bald aber stellte sich heraus, dass er auch eine goldene Nase für dringend benötigte Bodenschätze besaß: Die Phosphatvorkommen erwiesen sich als sehr bedeutend. Zehn Jahre später erschloss die Eisenbahn Metlaoui über Gafsa bis zur Hafenstadt Sfax und damit den schnellsten Weg zu den Märkten.

Noch einmal ruht die Rote Eidechse bewegungslos vor den dramatischen Felswänden - beim letzten Tunnel wartet sie auf fotografierende Passagiere. Dort, wo heute noch Phosphat abgebaut wird, bei der Station Seldja, werken nun andere Transporteure: Vom Bahnhof aus rattern nur noch die Förderbänder weiter nach Moulares.

Saad Khenich wartet bereits in seinem weißen Wagen beim Bahnhof und legt eine Kassette mit Raï-Musik ein, von hier an sind es keine schweren Räder auf Schienen, die den Takt angeben: Die beeindruckende Gebirgswelt des Djebel El-Negueb mit den drei Bergoasen Midès, Tamerza und Chebika erreicht man nicht mit dem Zug.

Hörbar ist die Stille jetzt, sogar die Verkäufer kristalliner Wüstenrosen werben nur dezent für die Ware. Zur Quelle der Oase Chebika führt lediglich ein Pfad, abermals umgeben von rötlich-gelben Felsen. Geheimnisvolles Schweigen umhüllt die Grabstätte eines Marabout, darüber grüßt ein Widder aus Stein. Entlang der Straße warnte das große Verkehrsschild noch vor anderen Begegnungen: "Attention Passage Dromadaires!" - und man hofft sehr, dass vor den Bergkuppen auf dem Weg nach Tozeur noch ein Höcker auftaucht. (Brigitte Breth/DER STANDARD, Printausgabe, 14./15.2.2009)