Wüten zwischen Gitterstäben gegen die Zwänge bürgerlicher Konvention. Genets mörderische Zofen.

 

Foto: Christian Herzenberger

An Gefängnissen hat sich Jean Genet wahrlich abgearbeitet. Stephan Bruckmeiers Bühnenbild findet eine schlichte Umsetzung für diese biografische Bedingtheit des OEuvres: Er lässt die Zofen zwischen Gitter-stäben wüten, in der Enge bürgerlicher Konventionen. Zugleich verweist das Gerüst auf die zu erwartende Konsequenz des amoralischen Treibens.

Dieses fußt zudem auf einer wahren Begebenheit, die Genet als Ausgangspunkt seines Schauspiels benutzte. In der französischen Provinzstadt Mans begingen die Geschwister Papin, Dienstmädchen, einen Ritualmord an Mutter und Tochter der Familie. Genet übertrug dies in seine "Zeremonie", die an schwarze Messen ebenso erinnert, wie an sadomasochistische Rituale. Claire (Matthias Hack) gibt die "Gnädige Frau", Solange (Theo Helm) schlüpft in die Rolle der Schwester.

Dieses diabolische Spiel ist in der Regie Eva Hosemanns körperlich angelegt. Große Gesten stehen den kleinen Verletzungen ebenbürtig gegenüber. Theo Helms Knickse sind mehr Drohung als devote Resignation. Matthias Hack changiert derweil als Claire in der Rolle der Hausherrin gekonnt zwischen Aggression und Attitüde. Insgesamt lässt das Duo dem Balanceakt des Wahnsinns Entschlossenheit angedeihen. Sie füttern die Frauenrollen, die der Autor mit männlichen Schauspielern besetzt haben wollte, mit mordlüsterner Virilität.

Mit Grandezza gibt schließlich Ferdinand Kopeinig die gnädige Frau. Mehr noch demaskiert er mit chauvinistischer Nachlässigkeit das Verhältnis der Dame zu ihren Bediensteten. Während die Kostüme (Christina Kämper) der Schwestern die Abscheu ihrer Trägerinnen kaum verhüllen können, löst Kopeinig die Travestie in gelungene Authentizität auf. (wo / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.2.2009)