Zwischen Fakt und Fiktion: "Justine Frank. Unknown photographer, Paris, 1928".

Foto: Extra City

Geschichte ist veränderbar: Für eine Ausstellung im Kunstverein Wolfsburg hat Dirk Dietrich Henning erst kürzlich ein Künstlerduo erfunden, und der israelische Künstler Roee Rosen tourt seit 2003 mit der fiktiven Surrealistin Justine Frank durch die Ausstellungshäuser. Derzeit macht die "Retrospektive Justine Frank 1900-1943" Station in Antwerpen.

Seit fünf Jahren arbeitet Rosen nun schon an dem Werk und der Biografie der fiktiven Künstlerin Justine Frank: Frank wurde in Antwerpen geboren und lebte lange in Paris, wo sie mit den Surrealisten und George Bataille in Berührung kam. Sie zog dann nach Palästina und starb 1943 in Tel Aviv. In ihrem Werk, das Zeichnungen und Gemälde umfasst, setzte sich die jüdische und lesbische Künstlerin einerseits mit Fragen von Identität auseinander, aber auch mit der surrealistischen Bewegung und der zionistischen Ideologie. Die Arbeiten der Künstlerin wurden zeit ihres Lebens kontrovers diskutiert und auch ihre jüngsten Retrospektiven rufen immer wieder widersprüchliche und kritische Reaktionen hervor.

Der Künstler Roee Rosen, der mit Justine Frank eine Art Role Model für Künstlerinnen erfand und entlang ihres Werks auch brisante politische Fragestellungen zu erörtern versucht, präsentiert in der Schau auch einen Film. Angesiedelt zwischen Fakt und Fiktion spielt Rosen selbst eine Hauptrolle in der "Dokumentation", in der eine Kunsttheoretikerin die umstrittenen Arbeiten von Justine Frank mit den Arbeiten von Roee Rosen vergleicht: 1997 sorgte nämlich auch Rosen mit seiner Ausstellung "Live and Die as Eva Braun" im Israel Museum für heftige Aufregung.

Später wurde er für ihren neuen Umgang mit der Repräsentation der Erinnerung an den Holocaust ausgezeichnet und in Ausstellungen im Jüdischen Museum New York und in der Neuen Gesellschaft für bildende Kunst (NGBK) in Berlin präsentiert. (cb / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.2.2009)