Kuschelkurs war einmal. Bei der ersten Regierungsklausur unter Kanzler Werner Faymann wurden zum lustigen Hüttenabend zwar kuschelige Decken und flauschige Pölster ausgeteilt, die zwei Tage in Sillian in Osttirol offenbarten aber: Diese Regierung kann auch anders. Streiten nämlich.

Es geht ums Geld. Die ÖVP in Person von Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll ist an sich in einer Defensivhaltung. Pröll muss das Budget zusammenhalten, erst recht in Zeiten einer Wirtschaftskrise, deren wahres Ausmaß derzeit noch gar nicht absehbar ist. "Ein Wahnsinn", schnaufte Pröll am Rande der Tagung, "die SPÖ will nur Geld ausgeben." Und nicht wenig: So standen etwa 400 Millionen Euro zur Debatte, die den Krankenkassen zur Entschuldung hinübergeschoben werden sollten. Ohne jegliche Bedingung.

Dieser Betrag ist nach der Regierungsklausur zwar vom Tisch, die kranken Kassen werden in den nächsten Jahren abseits der Beitragszahlungen dennoch Unsummen von Geld zur Verfügung bekommen. Heuer etwa 50 Millionen Euro, um die Liquidität aufrechtzuerhalten, ab 2010 dreimal 150 Millionen zur Entschuldung und ebenfalls ab 2010 noch einmal jährlich 100 Millionen aus einem "Strukturfonds" - für besondere Bedürfnisse der Kassen.

Einsparungspotenziale sollen zwar "gehoben" werden, wie das so schön heißt, wurden aber noch nicht definiert. Und von einer echten Gesundheitsreform ist diese Regierung noch meilenweit entfernt. Hier werden erst einmal nur Löcher gestopft. Und wenn Pröll und Faymann versichern, das werde nicht auf Kosten der Patienten oder der Steuerzahler gehen, dann haben sie, freundlich formuliert, die Unwahrheit gesagt.

Pröll und Faymann haben bei der Klausur ordentlich gestritten. Recht so. Sie mögen einander immer noch. Als Politiker ist beiden zugute zu halten, dass sie nicht jeden Streit persönlich nehmen - oder als persönliche Auseinandersetzung anlegen. Und sie sind zu einem Ergebnis gekommen. Dieses Ergebnis offenbart auch, dass manche Forderung im Vorfeld nichts anderes als eine Drohgebärde war. Es wurde abgetauscht. Das nennt man Kompromiss. Pröll hat seine Steuerreform durchsetzen können, und zwar so, wie er sie ursprünglich angelegt hatte, Faymann hat zusätzliches Geld für die Kassen losgeschlagen. Und beide haben ihre Erfolge.

Das Signal: Es geht etwas weiter. Wenn Faymann die Entlastung des Mittelstandes lobt, dann preist Pröll die Entlastung der Familien und der Selbstständigen. Die SPÖ ging viele Kompromisse ein. Sie hat beim Gewinnfreibetrag für Unternehmer nachgegeben. Der Babysitter kann künftig von der Steuer abgesetzt werden. Wie qualifiziert er (in den meisten Fällen wird es eine sie sein) sein muss, wird der Finanzminister in einer Verordnung festlegen. Pröll ist es gelungen, seine Klientel gut zu bedienen. Er hat etwas herzuzeigen.

Ein kleines Detail nur: Die Absetzbarkeit der Kirchensteuer wird von 100 auf 200 Euro angehoben. Das kostet zwar nicht die Welt, aber doch 20 bis 30 Millionen Euro im Jahr und ist ein klares Zeichen: Die ÖVP zeigt hier Flagge. Das ist der Preis dafür, dass Faymann auf der Klausur überhaupt eine fertige Steuerreform präsentieren und beschließen konnte. Pröll war dann redlich bemüht, seinen Triumph nicht allzu sehr auszukosten.

Aber Werner Faymann ist ein genügsamer Mensch und Politiker: Immerhin, es ist etwas weitergegangen, nach etwas mehr als zwei Monaten im Amt hat er gezeigt, dass diese Regierung arbeitet - zweifellos ein Fortschritt. Dann stieg Faymann in den Postbus, um die Heimreise von Osttirol nach Wien anzutreten. Was sein Erfolg bei dieser Steuerreform ist, wird er vor allem den eigenen Leuten noch erklären müssen. Große Gesten benötigt er dazu nicht. (Michael Völker/DER STANDARD Printausgabe, 11. Februar 2009)