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Das Leihhaus ist die Bank des kleinen Mannes. Bei einer Auto-Belehung gibt es Bares - ohne Bonitätsprüfung und Bürokratie.

Foto: AP/Jens Meyer

Nichts weist darauf hin an dieser noblen Adresse am Rande der Wiener Innenstadt - weder Türschild noch über verdächtig lange Zeit parkende Fahrzeuge. Doch in einer dieser Wohnungen gibt es Geld. Wer hier im zweiten Stock sein Auto versetzt - oder wie es offiziell heißt: belehnt - bekommt Bares. Sofort und ohne viele Fragen.

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Das Türschild verrät mit dem Namen einer Werbeagentur nur die halbe Wahrheit. So wollte es auch der Hausvermieter. Denn die Leute in der Nachbarschaft und auch die Mieter des Jahrhundertwendehauses könnten bei der Bezeichnung 'Auto-Belehnung' schon etwas irritiert sein. Unbürokratische Sofort-Finanzierung, kurz, Verpfändung erzeugt diesen bitteren Beigeschmack "des Wuchers" und ist wenig "sexy", daher dieses "Feigenblatt", so Sylvia Korntheuer, Inhaberin der Firma. "Es wird immer schwieriger, von der Bank einen Kredit zu bekommen. Wir sehen uns als Alternative, um bei akuten finanziellen Engpässen kurzfristig auszuhelfen. Mein Wunsch wäre, dass unsere Branche salonfähig wird."

Das Prozedere, die Konditionen sind klar abgesteckt: Der Kunde hinterlässt Typenschein und Zweitschlüssel des Autos, ein Ausländer (mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft) zuweilen auch den Reisepass, unterschreibt einen Wechsel auf 30 Jahre und erhält dafür Bargeld. Die Höhe der Summe errechnet sich aus dem Eurotax-Listenwert des Fahrzeugs und liegt bei maximal 6.000 Euro. Bei Garagierung sogar etwas darüber.

Sein Fahrzeug darf der Schuldner in der von ihm selbst festgelegten Belehnungs-Laufzeit weiter benutzen. Freilich mit entsprechenden Zinsen. "Die sind hoch, sehr hoch", so Korntheuer, die die Wiener Niederlassung seit eineinhalb Jahren gemeinsam mit einem Geschäftspartner leitet. 7,95 Prozent des Darlehens muss der Kunde monatlich berappen. Bei Zahlungsverzug sind weitere Zinsen fällig. Hochgerechnet auf ein Jahr käme das fast 100 Prozent des Darlehenswertes gleich - eine Rückzahlung wäre somit ziemlich unrealistisch.

Geschäftspartner, nicht Bittsteller

"Wir klären unsere Kunden sehr genau auf, welche Kosten auf sie zukommen; Gerichtsverhandlungen und Streitereien bishin zum 'Ernstfall' wollen wir vermeiden." Wenn die Geschäftsführerin von 'Ernstfall' spricht, meint sie den Abtransport - den Einzug - des Fahrzeugs nd die Versteigerung. Doch das sei eher die Ausnahme: Korntheuer: "Der Anteil liegt bei fünf bis maximal zehn Prozent."

Ob sich die Menschen schämten, wenn sie um Kredit ansuchten, verneint die eloquente Geschäftsfrau. "Niemand muss bei uns unter dem Teppich hereingekrochen kommen. Wir behandeln unsere Kunden als gleichwertigen Partner und nicht als Bittsteller. Wer unser Büro verlässt, kann das mit erhobenem Haupt tun. Wir haben allerdings eine klar definierte Geschäftsphilosophie."

In der Praxis bedeutet das eine gewisse Strenge und Disziplin, Ausnahmen bei kurzfristiger Zahlungsunfähigkeit gebe es dennoch, meint Korntheuer. Wichtig dabei: Kommunikation. "In manchen Fällen bitten uns Kunden schon mal um kurze Zeit Aufschub - wer plausibel erklären kann, dass in den nächsten Tagen beispielsweise das Urlaubsgeld eintrudelt, kann mit unserem Verständnis rechnen."

Das Geschäft läuft gut. Angst vor möglichen Bedrohungen oder richtige Härtefälle hat Korntheuer noch nicht erlebt. Noch nicht. Darüber sei sie froh und erzählt von vier Behinderten, die mit der Belehnung eines Fahrzeuges die Operation eines Kindes finanzieren wollen. "Bislang haben sie immer bezahlt. Gott-sei-Dank." Nachsatz: "Ich wüsste nicht, was ich tun würde, wenn es nicht so wäre."

Abzocker

Aber es gibt auch skrupellose Fälle: Kunden, die ihr Auto belehnen und dann untertauchen, wie das Beispiel eines jungen Mannes zeigt. Ihm wurden beim Kauf eines Pkw vom Autohändler sämtliche Fahrzeugpapiere ausgehändigt, noch bevor dieser auch nur einen Cent angezahlt hatte. „Er kam schnurstracks zu uns, belehnte den Wagen und verschwand." Die Folge war ein Gerichtsstreit um den Anspruch auf das unbezahlte Fahrzeug. "Wir einigten uns schließlich mit dem Autohändler auf einen Vergelich", so Korntheuer.

Zurück zum Ernstfall, dem "Herzschlagfinale", wie Korntheuer es nennt. Denn manchmal nützten alle Mahnungen nicht, der Kunde reagiere bei nicht beglichenen Rechnungen auf keine Telefonate oder ließe sich verleugnen. Dann wird das Fahrzeug eingezogen.

Das geschieht in einer Nacht- und Nebelaktion. Diskret und unauffällig für alle Beteiligten. "Manchmal verstecken die Kunden ihre Autos. So ist es mitunter nicht immer leicht, das Fahrzeug zu finden, auch wenn wir Wohn- und Arbeitsadresse kennen." Ist das Fahrzeug erst gefunden, könnte immer noch eine Alarmanlage losgehen. Und: Flexibilität ist gefordert, wenn man in ein fremdes Fahrzeug steigt, denn: "Wissen Sie immer, wo das Licht ist?" (Sigrid Schamall, derStandard.at, 15.2.2009)