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Oft ist es Scham, die Frauen daran hindert, sich Hilfe in einer Armutssituation zu suchen.

Foto: REUTERS/Miguel Vidal

"Betroffene, Fälle, sozial Schwache – das sind solche Worte, die ich nicht mehr hören kann". Caroline* ist eine resolute Frau, der man ihren Ärger anmerkt. Ärger darüber, dass Mangel an Geld oft ohne zu überlegen mit niedrigem sozialem Status gleichgesetzt wird. Sie selber spricht lieber von einer "Armutserfahrung", die sie machen musste. "Und das kann jederm ganz, ganz schnell passieren", erzählt sie.

Scheidung, Jobverlust, Selbstzweifel

Damals geschah in ihrem Leben, was für viele Frauen den Schritt in die – zumindest zeitweise – Armutsfalle bedeutet. Eine Scheidung, ein verlorener Job, Selbstzweifel. "Meine Anwältin und eine Therapeutin haben mir damals weiter geholfen, obwohl ich sie nicht mehr bezahlen konnte", erzählt Caroline. "Es ist ein unangenehmes Gefühl, etwas zu bekommen und dafür keine Gegenleistung erbringen zu können". Ständig stelle man sich die Frage, ob man nicht selber "schuld" an der eigenen Lage ist. Dazu kommt die Scham, die Frauen daran hindert, sich ihnen zustehende Hilfen zu verschaffen.

Damals beschloss sie, dass sie ihre Erfahrungen mit jemandem teilen wollte – und begann, sich mit anderen Frauen in derselben Situation zu vernetzen. Der "SurvivalClub" war geboren: als Raum zum Reden, Zuhören, um sich Hilfe zu holen oder selber Hilfe anzubieten. Einmal in der Woche treffen sich Frauen jeden Alters – solche, die selber mit Armut konfrontiert waren oder sind, aber auch solche, die sich einbringen und anderen etwas Gutes zukommen lassen möchten.

Netzwerken gegen Armut

Es geht um den Austausch von Erfahrungen und Informationen auf Augenhöhe, die Polarisation zwischen der gebenden "Charity-Lady" einerseits und der nehmenden Armen andererseits soll im Club durchbrochen werden. "Auch Frauen ohne Geld haben Fähigkeiten, die andere Menschen brauchen", so die Organisatorin.

"Es ist ganz wichtig, dass das bunt durchmischt ist. Wir wollen ja nicht nur dasitzen und jammern, wie schlecht es uns geht". Teilnehmen können alle Frauen, ob arm oder reich. "Bei uns muss keine bei der Tür hereinkommen und sich deklarieren: Ich bin arm". Einzige Voraussetzung, um am Club teilzunehmen: Die Bereitschaft, sich auszutauschen.

Finanzieller Atem schnell erschöpft

An diesem Dienstag sind außer der Organisatorin sieben Frauen gekommen. Bei Ingwertee und Kuchen werden zögerlich die Lebensgeschichten ausgebreitet. Gemeinsam ist allen: Die Armut kam plötzlich, meist in Verbindung mit einschneidenden Erlebnissen. Wenn eine Scheidung jahrelang dauert, ist der finanzielle Atem schnell erschöpft. "Und schwuppdiwupp, stehst du da ohne nichts."

 "Ich bin durch eine Scheidung da hineingerutscht", erzählt Beate*. "Ich war so euphorisch, dass ich es endlich geschafft habe, mich aus dieser zerstörerischen Beziehung zu lösen, ich hätte Bäume ausreißen können". Beate wollte nur weg, alles schnell hinter sich lassen. "Der Richter hat mich gerettet, ich hätte auf alles verzichtet, nur um das hinter mir zu haben". Und trotzdem: Der Alltag fraß die finanziellen Ressourcen schnell auf. "Und auf einmal war die Erleichterung weg, und die Angst war da". Von einem großen Haus ging es in eine 28 Quadratmeter große Gemeindewohnung. "Als es finanziell gar nicht mehr gegangen ist, habe ich im Kloster gegen Kost und Logis gearbeitet", berichtet Beate.

 "Was, wenn ich das mal nicht mehr kann?"

Die Geschichten sind verschieden, haben aber eine Gemeinsamkeit: Fast immer ist eine Trennung oder Scheidung enthalten, oft ein verlorener Job. "Ich wollte nur weg von meinem Mann, ich hätte auf alle Ansprüche verzichtet", berichtet Laura*. Damals habe sie halbtags gearbeitet, das sei sich gut ausgegangen. "Und ich wollte für die Kinder da sein". Jetzt ist Laura Pensionistin. "Und jetzt, in der Pension, denk ich mir: Hätt' ich anders gelebt, mehr auf mich geschaut, dann hätt' ich jetzt etwas". So muss sie darauf hoffen, Gelegenheitsjobs zu bekommen, etwa bei Marktständen. "Jetzt im Winter, das ist ja irrsinnig kalt?", meint eine andere Frau. "Was soll ich machen, es geht sich sonst nicht aus", seufzt Laura. "Aber was mir Sorgen macht: Was, wenn ich das mal nicht mehr kann?"

Armut bedeutet, vieles zum ersten Mal machen zu müssen. Die Wege zum Arbeitsmarktservice, zu Ämtern, sich Hilfe suchen zu müssen und einzugestehen, dass man nicht alles alleine schafft. "Es ist in so einer Situation überlebenswichtig,  Netzwerke zu haben", meint Organisatorin Caroline. "Es geht nicht so sehr ums vergessen, es geht um aktive Bewältigung einer extremen Lebenskrise, darum, Mut zu fassen, weiterzumachen, zu leben". Der SurvivalClub soll auch Raum bieten, wieder einmal Dinge zu tun, die man sich sonst nicht leisten kann – in Ruhe zu plaudern, Kaffee zu trinken. Auch körperliche, kreative und kulturelle Aktivitäten sollen stattfinden, ebenso wie gegenseitige Hilfestellung, etwa beim Ausmalen oder bei Einkaufsgemeinschaften. Und auch einmal zu vergessen, dass die Armut an der Gesundheit, am Wohlbefinden, an den Nerven zerrt. "Man darf sich natürlich auch leid tun, aber nur Jammern bringt nichts". (Anita Zielina, dieStandard.at, 11.2.2009)