Bild nicht mehr verfügbar.

John Kucera braust im Sommer mit einem Pickup durch die Prärie. Im Winter braust er auch.

AP Photo/Elvis Piazzi

Max Gartner, Kanadas alpiner Sportdirektor.

Foto: Zelsacher

John Kucera liest nicht nur, beispielsweise, das Buch von den Blacktop Cowboys: Riders on the Run for Rodeo Gold. Der Mann aus Calgary, Alberta, wo sie jedes Jahr im Juli die berühmte Calgary Stampede geben, hat sich auch die Biografie von Hermann Maier hineingezogen: "Ich gehe meinen Weg". Aus den Crazy Canucks der Achtzigerjahre sind jedenfalls die Canadian Cowboys geworden, und die Berufsauffassung unterscheidet sich nicht wesentlich. Alles oder nichts. Vier Kanadier attackierten die Face de Bellevarde, drei flogen raus, einer, Jan Hudec zerstörte sich dabei das Kreuzband, einer, John Kucera, nützte im Gegensatz zu Hermann Maier die Gunst der guten Sicht und nahm sich WM-Gold - als erster Kanadier der Skigeschichte.

"Ein bisschen Cowboy bin ich schon", sagt Kucera, der sommers standesgemäß mit einem Pickup durch die Prärie braust und dessen Freundin, Lauren Mayell, eine Country-Sängerin gibt. John half ihr beim Dichten einer Strophe eines ihrer Lieder, natürlich handelt sie von den Canadian Cowboys im Schnee. Im Gegensatz zu John harrt Lauren noch ihres Durchbruchs, und doch muss man sich nicht nach Calgary begeben, um sie trällern zu hören. Wer auf YouTube suchet, der findet.

Kanadier in Österreich

Jan und Zdena, Kuceras Eltern, sahen sich die Gold-Fahrt ihres Buben in Brünn im Fernseher an. Dort, wo sie 1980 aus der damaligen ÈSSR aufbrachen, einen Jugoslawien-Urlaub vorgebend, um im Flüchtlingslager Traiskirchen zu landen und erfolgreich um Asyl anzusuchen. Jan, der studierte Architekt, arbeitete vorübergehend beim Babylift am Hochkar.

Damals aber war Kathrin Zettel noch nicht auf der Welt. John auch nicht, er erschien, nachdem Jan Zdena gefreit hatte und die Kuceras nach Kanada ausgewandert waren, am 17. 9. 1984 in Calgary. Jetzt ist er, der im November 2006 als erster Kanadier ein Weltcuprennen in Lake Louise gewann, den Super-G, 1,73 Meter hoch und wiegt 80 Kilo. "18 Monate war er, als ich ihn zum ersten Mal auf die Skier gestellt habe", erzählte einem Jan damals, was John insofern bestätigt, als er Ski fahre, so weit seine Erinnerung reiche.

Das ist aber nicht der einzige Grund für die kanadische Stärke. "On the Podium", heißt das Programm des Kanadischen Olympischen Komitees, das abzielt auf Olympia 2010 in Vancouver. Umgerechnet 14 Millionen Euro werden in alle olympischen Wintersportarten investiert, die Hälfte zahlt der Staat, die andere Hälfte kommt von Komitee-Sponsoren. Der Skiverband erhält ein Zehntel, dazu hat er selbst einige Sponsoren. Der Österreicher Max Gartner, einst Skigymnasiast in Stams, Kicker bei VÖEST Linz, seit 20 Jahren verheiratet mit Kerrin Lee-Gartner, die anno 1992, nahe Val d'Isère in Meribel Olympia-Abfahrtsgold gewann, arbeitet seit Ewigkeiten für Kanadas Skiverband, seit 2003, als "On the Podium" begann, als Alpindirektor. "Medaillen sind teuer", sagt er, der in diesem Programm beispielsweise mit Skicrossern oder Rodlern konkurriert. Für Val d'Isère sind übrigens zwei eingeplant, für Vancouver drei bis vier.

Österreicher in Kanada

Zudem arbeiten für die kanadische Skifahrt die Österreicher Patrick Riml, der früher bei den US-Amerikanern werkte, Kurt Kothbauer (Kondi-Trainer) und Michael Fichta, der sich weiland um die Muskeln der ÖSVler kümmerte. Das Budget der Kanadier hat sich gegenüber früher verdoppelt. "Natürlich korrelieren Geld und Erfolg", sagt Gartner, "und natürlich ist der ÖSV ein Vorbild." Der hat ein Vielfaches an Geld; und dass es gegenwärtig bei den Herren in den schnellen Disziplinen nicht so toll läuft, führt Gartner auf die üblichen Wellenbewegungen im Sport zurück. Und während der ÖSV mit Österreich-Rennen ein Geschäft macht, zahlen die Kanadier in Lake Louise drauf, weil sie selbst für die Schneeproduktion im November aufzukommen haben. Deshalb streben sie bei der FIS einen zusätzlichen Slalom an, um wenigstens pari auszusteigen.

Mit seinem Triumph schaffe es John Kucera, der winters mit seinen Kollegen in einem komplett angemieteten Hotel in Kirchberg in Tirol lebt, auf Titelseiten der kanadischen Zeitungen, sagt Gartner. Und ganz baff war Kucera, als ihn am Abend der kanadische Premierminister Stephen Harper anrief. Aber wenn Gartners Cowboys nichts reißen, wird nichts geschrieben. Und der Premier wird auch nicht böse sein. Quasi krisenresistent, die kanadische Skifahrt. Einen Einspruch wie der ÖSV im Fall Walchhofer hätte er, dessen "Herz für Kanada schlägt" übrigens nicht eingelegt. "Wenn einer voll runterfährt und nicht behindert wird, gibt's doch keinen Re-Run. Sport muss Sport bleiben." (Benno Zelsacher aus Val d'Isère, DER STANDARD Printausgabe 09.02.2009)