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"Amerika wird mehr tun, aber Amerika wird auch mehr von seinen Partnern fordern": US-Vizepräsident Biden spricht auf der Sicherheitskonferenz im Bayerischen Hof.

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Auf einer Woge der Sympathie ist er in den Saal getragen worden und hat dann seine Rede vorgetragen, kein Meisterstück, aber Joe Biden ist trotz seiner 36 Jahre im US-Senat nie ein großer Orator geworden, doch dann kommt seine stärkste Waffe. Biden, der neue US-Vizepräsident, der Anti-Cheney, zeigt seine makellos weißen Zähne, er strahlt, und das Publikum lacht zurück. Biden hat einen Witz gemacht über seinen Vorredner, den französischen Staatschef Nicolas Sarkozy. Das finden die meisten hier bei der Sicherheitskonferenz in München gut.

Joe Biden, der Emissär des neuen amerikanischen Präsidenten Barack Obama, hat erfüllt, was sich die Europäer nach acht Jahren mit George W. Bush erhofft hatten. Die neue US-Regierung wolle einen „neuen Ton" anschlagen in Washington wie in den internationalen Beziehungen, erklärt Barack Obamas Stellvertreter. „Dieser neue Ton ist kein Luxus", sagt Biden, „er ist eine Notwendigkeit."

Die Europäer im Publikum - Staats- und Regierungschefs wie Nicolas Sarkozy und Angela Merkel, Verteidigungsminister, langgediente Diplomaten und Sicherheitsexperten aus West und Ost - hören die Versprechen und ein neues Geschäftsangebot der neuen Regierung in Washington: Amerika wird seinen Verbündeten genauer zuhören, in internationalen Organisationen mitarbeiten, wieder versuchen, ein „moralisches Beispiel" zu sein - „Amerika wird nicht foltern", sagt Biden. „Amerika wird mehr tun, das ist die gute Nachricht, aber Amerika wird auch mehr von seinen Partnern verlangen."

Es ist das alte Lied von der Lastenteilung im Bündnis, mehr Verteidigungsausgaben, mehr Soldaten für Kampfeinsätze in Afghanistan, mehr Gemeinsamkeit. Biden nennt das alles nicht. Er will den Moment des Aufbruchs im transatlantischen Verhältnis nicht verderben, und seine Regierung setzt auf das Neue in Europa: die deutsch-französische Zusammenarbeit, den immer stärker vorgetragenen Willen von Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy, die Gewichte in der Nato zu verschieben und mehr Aufgaben zu übernehmen.

„Will Europa den Frieden, oder will es in Frieden gelassen werden?", formulierte Sarkozy provokativ. „Wenn ihr in Frieden gelassen werden wollt, dann macht euch ganz klein, geht in eine Ecke, redet nicht laut - bis es zu spät ist", setzte der umtriebige Franzose fort. Keine Alternative also. Sarkozy und Merkel, die Anfang April gemeinsam einen Nato-Gipfel zum 60-jährigen Bestehen der Allianz ausrichten, bekräftigen ihren Willen zum Engagement bei Afghanistan, Iran, Russland: ein Krieg, eine Krise und die Rückkehr einer totgeglaubten Konfrontation.

Warnung an den Iran

In offensichtlich abgesprochenen Reden luden Biden, Merkel und Sarkozy die iranische Führung ein, anzunehmen, was nun auf dem Tisch liegt - das Angebot der USA zu direkten Gesprächen über das Atomprogramm -, oder aber die Konsequenzen zu tragen. „Wir sind auch bereit, härtere Sanktionen ins Auge zu fassen", sagte Merkel. Die Aussicht auf iranische Atomwaffen, aber auch das Problem der Nachschubrouten für die Nato-Truppen in Afghanistan machen die Vertreter der großen westlichen Staaten versöhnlicher gegenüber Russland, dessen Hilfe man sucht. Tschechiens Vizepremier Alexandr Vondra oder Estlands Präsident Toomas Hendrik Ilves kritisierten das in München.

Deutlich wurde der Bruch der Obama-Regierung mit der Ära Bush auch beim Management des Afghanistankriegs. Er habe noch nie ein solches Durcheinander gesehen, sagte der neue Sondergesandte Richard Holbrooke: „Afghanistan wird härter als der Irak." Afghanistans Präsident Hamid Karsai kündigte vor den Wahlen im August eine Amnestie für gemäßigte Taliban an. (Markus Bernath aus München, DER STANDARD Printausgabe, 9.2.2009)