In deutschen Städten boomt das gemeinschaftliche Bauen derzeit wie nirgendwo sonst.

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"Wir sind auf der Suche nach einer Eigentumswohnung, haben aber noch nicht die passende gefunden." Eine oft gehörte Klage. Was liegt in so einem Fall näher, als sich mit Gleichgesinnten zusammenzutun, ein städtisches Grundstück zu suchen und selbst zu bauen?

In deutschen Städten boomt das gemeinschaftliche Bauen derzeit wie nirgendwo sonst. In Österreich dagegen ist das Modell der sogenannten Baugruppe nach wie vor ein Sonderfall. Dabei hört sich alles so überzeugend an: Man kann bei der Architektur und Grundrissgestaltung mitreden. Man kann sich die Leute, mit denen man zusammenwohnt, selbst aussuchen. Und man kann dabei - so lauten die Erfahrungswerte aus Deutschland - auch noch zehn bis zwanzig Prozent der Kosten sparen.

In Deutschland haben ein paar Vorreiter gezeigt, wie's geht. Inzwischen ist das Modell salonfähig. "Das ist längst nicht mehr so kompliziert wie ganz am Anfang", erzählt Annika Schönfeld, "Baugruppen sind heute schon für breitere Kreise zugänglich." Die gebürtige Hamburgerin ist Stadtplanerin und im Wiener Büro raum & kommunikation für die Bereiche Wohnungswesen, Partizipation und Prozessgestaltung zuständig.

Hamburg als Benchmark

Ihre Heimatstadt ist Wien weit voraus: In Hamburg, so Schönfeld, werden 15 Prozent der Grundstücke, die für den sozialen Wohnbau vorgesehen sind, für Baugruppen reserviert. Interessierte Gruppen können sich dafür bewerben. Wer ausgewählt wird, hat ein Jahr lang Zeit, sich als Gruppe zu formieren, die Finanzierung zu sichern sowie das Grundstück zu kaufen.

Die städtebauliche und soziale Bedeutung dieser bürgerlichen Eigeninitiativen wurde längst erkannt. Von vielen Kommunen werden solche Projekte wohlwollend unterstützt. Schönfeld: "Auch in Wien treffen wir immer wieder auf Interessenten, meist scheitert es jedoch daran, dass die Leute keine geeignete Liegenschaft oder kein Sanierungsobjekt finden."

Erst jüngst hat das Büro raum & kommunikation eine Gruppe von 50- bis 60-Jährigen beraten. Sie wollten zwar gemeinsam wohnen, konnten den Prozess aber allein nicht bewältigen. Das Büro half dabei, den Entscheidungsfindungsprozess zu moderieren und eine passende Immobilie zu finden. In Gürtelnähe wurde man fündig. Derzeit wird das sanierungsbedürftige Objekt ganz im Sinne der Baugruppe von einem Bauträger umgebaut.

Beispiel Sargfabrik

Doch damit das bewährte Modell in Wien wirklich Fuß fasst, müsste es Anreize vonseiten der Stadt geben, sagt die Stadtplanerin. Ein paar gemeinschaftlich errichtete Wohnanlagen gibt es ja bereits. Die Sargfabrik in Wien-Penzing ist mit Sicherheit das bekannteste Beispiel. Die darin untergebrachten Gemeinschaftseinrichtungen sind zu einem wichtigen Bestandteil für die Umgebung geworden.

Auch in Kärnten regt sich nun erstes Interesse. "Immer wieder haben uns Leute gefragt, ob wir denn nicht ein geeignetes Baugrundstück wüssten", sagt Markus Klaura vom Klagenfurter Architekturbüro Klaura+Kaden. Die Architekten haben die Suchenden schließlich nach dem Prinzip der Baugruppe zusammengebracht. Auf einem stadtnahen Grundstück wurde nun ein mehrgeschoßiges Wohnhaus mitsamt Ateliergebäude realisiert. "Wir haben die Grundstruktur entwickelt", so Klaura, "in diesem Rahmen hatte dann jeder Einzelne seine Gestaltungsfreiheit."

Viele Verträge

Die Bürokratie ist komplex, aber bewältigbar: Aus der Errichtergemeinschaft, wie die Gruppe während der Bauzeit hieß, wurde inzwischen eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Dem Kaufvertrag für das Grundstück folgte ein Projektabwicklungsvertrag. Nach erfolgreicher Realisierung wurde dieser nun von einem Wohnungseigentumsvertrag abgelöst.

Auch für die Finanzierung musste eine gemeinsame Lösung gefunden werden. Doch was ist, wenn eine Partei abspringt? Wer trägt das Risiko? Die Baugruppe aus Klagenfurt konnte eine Bank finden, die allen Beteiligten eine 70-prozentige Fertigstellungsgarantie zusicherte und damit das Risiko übernahm. (Anne Isopp, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7./8.2.2009)