Österreicherinnen und Österreicher sind sehr streng, wenn es um neue Entwicklungen geht. Variationen der Frage "Zu was brauch ich das?" haben Neuerungen von Handy und SMS bis E-Mail und Online-Shopping begleitet, jetzt gelten sie Facebook (und anderen Netzwerken wie MySpace oder Xing).

Zu was man Facebook braucht oder auch nicht, muss man selbst herausfinden. Man kann sagen, was sich der Harvard-Student Mark Zuckerberg bei der Erfindung vor exakt fünf Jahren gedacht hat: ein mit Gesichtern versehenes aktives Adressbuch, dass es Uni-Studenten leichter machen soll, sich kennen zu lernen und Kontakt zu halten.

Alle sind FreundInnen

Das Ganze wuchs sich aus, sowohl sozial (aus dem Uni-Netzwerk wurde eine offene Plattform) als auch geografisch und zahlenmäßig: Rund 150 Millionen Personen sind derzeit registriert. Weil Facebook schon längst seine ursprüngliche soziale Einheit - Studentinnen und Studenten - verloren hat, ist eine der größten Herausforderungen vieler neuer Benutzer diese: soziale Differenzierung. Alle sind "FreundInnen" auf Facebook (so man eine Anfrage bestätigt) - auf den ersten Blick ermöglicht das virtuelle Netzwerk nicht, zwischen mehr oder weniger gut befreundeten, bekannten oder verwandten Menschen zu differenzieren.

Das kann leicht zu Peinlichkeiten, aber auch richtig unangenehmen Situationen führen: Nicht jede Mitteilung über das, was man gerade so treibt ("Status"), sind auch für Vorgesetzte oder die Oldies gedacht. Wie im richtigen Leben muss man darum lernen, nicht alles allen mitzuteilen.

Kontakte wie Trophäen

Das geht auf zwei Arten: Erstens wählerisch sein bei den Menschen, die man in den "Freundes"-Kreis aufnimmt. Mütter und Väter sollten sich zum Beispiel gut überlegen, ob sie ihre Töchter und Söhne fragen, "Freunde" zu werden. Und was tun, wenn der oder die Vorgesetzte eine Freundschaftsanfrage stellt? Oder Kollegen, die man nicht unbedingt in den persönlichen Freundeskreis aufnehmen will?

Besser ist es darum, nicht Kontakte wie Trophäen einzusammeln und ein unendlich großes Netz zu stricken. Dabei gehen der Nutzen und der Spaß der Peergroup leicht verloren. Von Zeit zu Zeit ist es auch gut, sich von Kontakten wieder zu verabschieden (Facebook behandelt das diskret).

Freundschaftslisten

Die andere Form, mit einem wachsenden Freundeskreis umzugehen, ist es, "Freundschaftslisten" aufzubauen, eine erst seit einem Jahr bestehende und wenig genutzte Funktion. Damit kann man soziale Nähe oder Distanz von "FreundInnen"bestimmen, z. B. eine Liste für Kollegen, eine für die Familie, eine für "richtige Freunde", eine für entfernte Bekannte.

Neue Anfragen werden gleich einem dieser Kreise zugeteilt, und man kann bestimmen, wer an welcher "Konversation" auf Facebook teilnimmt und wer welche persönlichen Daten einsehen kann.

Viele wird das bei aller Differenzierung nicht überzeugen, und Online-Paranoiker kann man nur von jeder Site abraten, bei der man Persönliches preisgibt. Wie gesagt, ob Facebook oder andere Angebote einen persönlichen Nutzen oder Unterhaltungswert haben: Das muss man selbst herausfinden. (Helmut Spudich/ DER STANDARD Printausgabe, 6. Februar 2009)