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In Ländern wie Ägypten werden Beschneidungen laut UNICEF immer häufiger in Krankenhäusern oder Arztpraxen durchgeführt, medizinisches Fachpersonal trete an die Stelle der traditionellen Beschneiderinnen. Das erweckt den Anschein, es handle sich um einen medizinisch notwendigen Eingriff.

Foto: REUTERS/Tara Todras-Whitehill

Wien - Weibliche Genitalverstümmelungen würden immer häufiger in Krankenhäusern und Arztpraxen vorgenommen, warnt das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) am Donnerstag anlässlich des Internationalen Tages "Null Toleranz gegen weibliche Genitalverstümmelung" am 6. Februar.

Drastische Folgen

Bei der weiblichen Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, kurz FGM) werden den kleinen Mädchen die weiblichen Geschlechtsteile teilweise oder vollständig entfernt. Die gesundheitlichen Folgen durch das Risiko von Infektionen sind dramatisch - bis hin zum Tod der Mädchen. Weiters führt der durch die Beschneidung erschwerte Geburtsvorgang zu einer erhöhten Müttersterblichkeit. Das Ritual hinterlässt obendrein seelische Folgen, die die Betroffenen oft lebenslang begleiten.

Das Kinderhilfswerk unterstützt Initiativen in afrikanischen Ländern, die Genitalverstümmelung bis 2015 abzuschaffen, wies es in einer Aussendung am Donnerstag hin. Auch "Menschen für Menschen" bekämpft seit über zehn Jahren diese schädliche Tradition vornehmlich in Äthiopien.

8.000 Eingriffe pro Tag

WHO-Schätzungen zufolge würden jedes Jahr drei Millionen Mädchen an ihren Genitalien beschnitten, das seien 8.000 Eingriffe pro Tag. Diese Praxis sei zwar in fast allen Ländern verboten, jedoch in mindestens 26 Ländern Afrikas und im Jemen nach wie vor verbreitet. In Ägypten, Guinea, Mali und im Sudan seien mindestens 90 Prozent aller Mädchen und Frauen betroffen. In Äthiopien sind es an die 75 Prozent. Auch in Industriestaaten würden in Einwandererfamilien zunehmend Fälle von Genitalverstümmelung bekannt.

Eindruck eines medizinisch notwendigen Eingriffs

In Ländern wie Ägypten würden Beschneidungen immer häufiger in Krankenhäusern oder Arztpraxen durchgeführt, medizinisches Fachpersonal trete an die Stelle der traditionellen Beschneiderinnen. Das erwecke den Anschein, es handle sich um einen medizinisch notwendigen Eingriff. "Aber die weibliche Genitalverstümmelung ist Folter an Körper und Seele", so Gudrun Berger, Geschäftsführerin von UNICEF Österreich. In Ägypten werden nach Angaben des Kinderhilfswerks 75 Prozent aller Eingriffe von MedizinerInnen durchgeführt.

Immer mehr afrikanische Länder schaffen Praxis ab

Gleichzeitig sieht UNICEF langsame Fortschritte: Haushaltsbefragungen und Erfahrungsberichte des Kinderhilfswerks wiesen darauf hin, dass die Verbreitung der Genitalverstümmelung in vielen afrikanischen Ländern langsam zurückgehe. Im Senegal hätten beispielsweise 1.600 von 5.000 betroffenen Dörfern das Ritual offiziell abgeschafft. UNICEF führt dies auf von der Organisation mitorganisierte Aufklärungskurse zurück.

Auch für Ägypten zeigen Haushaltsuntersuchungen laut der Pressemitteilung eine positive Tendenz. Der ägyptische Frauenrat habe mit Unterstützung von UNICEF Modellprojekte zur Abschaffung der Genitalverstümmelung in 120 Dörfern sowie eine landesweite Notrufnummer durchgesetzt, die Regierung unterstütze eine Kampagne zur Abschaffung des Brauches. In vielen afrikanischen Ländern wachse der Widerstand, und viele junge Frauen mit guter Ausbildung wollten ihre Töchter vor der Verstümmelung bewahren.

"Schlimmes tun, im Glauben etwas Gutes zu tun"

Das bestätigt auch das Hilfswerk Menschen für Menschen, das bereits 1998 die Anti-FGM-"Safia-Kampagne" in Äthiopien gestartet hat. Das Herangehen basiert dabei auf langjähriger Zusammenarbeit mit der einheimischen Bevölkerung und ist vernetzt mit integrierten Entwicklungsprogrammen.

Viele Menschen glauben aufgrund mangelnden Zugangs zu Bildung, dass die Beschneidung religiöse Wurzeln habe, so Almaz Böhm, stellvertretende Vorsitzende von Menschen für Menschen. "Die Menschen tun etwas Schlimmes, im Glauben etwas Gutes zu tun", so  Denn nicht beschnittene Frauen riskieren, sozial ausgegrenzt zu werden und ohne Ehemann zu bleiben. Deshalb stand am Anfang der Kampagne die öffentliche Erklärung religiöser Führer, dass FGM weder im Islam noch im äthiopisch-orthodoxen Christentum gefordert sei.

Aufklärung und Alternativen

Seitdem hat Menschen für Menschen hunderttausende Menschen durch Informationsveranstaltungen, Workshops, Gründung von schulischen Anti-FGM-Clubs, öffentliche Diskussionen, Infotafeln und Theateraufführungen aufgeklärt. Weiters werden neben Fortbildungen für medizinisches Fachpersonal und Hebammen auch Informationssendungen für Radio und Fernsehen angeboten und Beschneiderinnen bei der Suche nach alternativen Berufen unterstützt.

Kein Tabu mehr

Mund-zu-Mund-Propaganda ist und bleibt laut Böhm einer der wichtigsten Faktoren, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Die "Safia-Kampagne" hätte so einen Prozess innerhalb der Bevölkerung ins Rollen gebracht: Viele Beschneiderinnen haben aufgrund der Kampagnen von Menschen für Menschen ihre Tätigkeit aufgegeben; Mütter erklären öffentlich, ihre Töchter nicht mehr beschneiden zu lassen und Männer bekunden, auch unbeschnittene Frauen zu heiraten. Das Thema Frauenbeschneidung ist kein Tabuthema mehr; ganze Dörfer haben dieser schädlichen Tradition abgeschworen. (APA/red)