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Jungsein im Iran: Die Fußballbegeisterung ist Ventil, auch für Regimetreue (mit einem Bild von Präsident Ahmadi-Nejad). Andere treiben es wild, mit Drogen und nächtlichen Autorasereien. Foto: EPA/Taherkenareh

EPA/ABEDIN TAHERKENAREH

Zwei Studien zeigen ein ernüchterndes Bild der Jugend im Iran, dreißig Jahre nach der Revolution. Dabei sind die Frauen gebildeter denn je – auch die Prostituierten, die es ja im islamischen Staat gar nicht geben sollte.

Teheran/Wien – Noch nie hat man sich in der Islamischen Republik Iran so über den Anteil von gebildeten Frauen in einer Branche geschämt: Laut den Ergebnissen einer Studie haben mehr als 90 Prozent der Prostituierten Teherans die Matura, mehr als 30 Prozent besitzen einen Hochschulabschluss oder studieren. Die Untersuchung wurde von der Teheraner Polizei und dem Gesundheitsministerium in Auftrag gegeben – und als Anfang Jänner die Ergebnisse vorlagen, traute sich keine Zeitung, sie auch nur ansatzweise zu veröffentlichen.

Die Teheraner Sexarbeiterinnen behaupten laut der Studie zu 80 Prozent, dass sie freiwillig und vorübergehend diesem Beruf nachgehen: Die Gebildeten warten auf bessere Stellen, jene mit Matura wollen später studieren, die bereits Immatrikulierten nennen die hohen Universitätsgebühren als Grund. Mehr als 30 Prozent betonten, dass sie ihre Freier sorgfältig auswählen und nur reiche oder gebildete Männer für sie infrage kämen. Sie sind mit ihrer Tätigkeit zufrieden – und die meisten betrachten sie nicht als eine Sünde nach den Gesetzen des Islam. Akademiker und Verheiratete stellen 60 Prozent ihrer Kunden.

Diese Studie ist nicht das einzige unangenehme Geschenk zum 30. Jahrestag der Islamischen Revolution, dessen Feierlichkeiten bereits begonnen haben. Eine zweite Untersuchung, die sich den Jugendlichen widmet, stellt die Behörden vor noch mehr Probleme. Sie wurde vom Erziehungsministerium in Auftrag gegeben – ein Teil der Ergebnisse wurde veröffentlicht, ein anderer Teil unterdrückt.

Bekanntgemacht wurde, dass weniger als ein Drittel der Jugendlichen zwischen 15 und 29 Jahren in Teheran mit ihrer Lage zufrieden sind. 62,5 Prozent klagen über Arbeitslosigkeit, die gesellschaftliche Ordnung und Geldmangel. Sie leiden an Mangel an Zukunftsperspektiven. Nur 31,6 Prozent finden die alten Gesellschaftsnormen akzeptabel, 35,8 Prozent wollen lieber ins Ausland.

Der Anteil der Unzufriedenen ist bei Männern und Frauen etwa gleich. Die Bildungsunterschiede zwischen Frauen und Männern ändern sich Jahr für Jahr zugunsten der Frauen. Nach neuesten Berichten des Wissenschaftsministeriums steigt inzwischen der Anteil der Frauen an allen Universitäten enorm und beträgt zurzeit 65 Prozent. Und er wird weiter wachsen – denn wer aufgenommen wird, entscheidet eine Prüfung -, falls nicht, wie beabsichtigt, eine beschränkende 40-Prozent-Quote für Frauen eingeführt wird.

Am unangenehmsten für den Staat sind die Zahlen über drogensüchtige Jugendliche im Iran – sie werden geheimgehalten. Demnach haben 30 Prozent der Schüler und Schülerinnen mindestens einmal Drogen probiert, mehr als zehn Prozent sind abhängig. Als eine liberale Zeitung diese Zahlen andeutete, kam zwar ein entschiedenes Dementi vom Erziehungsministerium. Aber sicher ist, dass die Regierung das Problem nicht in den Griff kriegt.

Bei Jugendlichen sind synthetische Drogen stark im Kommen. Wenn die Sonne in Teheran untergeht, wird gefeiert – und nicht etwa der 30. Jahrestag der Revolution, für den die jungen Leute oft nur Spott und Hohn übrig haben. Besonders im Norden Teherans treiben Jugendliche bei abendlichen Partys ihr Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei, die nur bis kurz vor Mitternacht auf den Straßen präsent ist. Ab Mitternacht gehören den wilden Jungen die breiten Straßen. Vergangene Woche hat die Polizei vergeblich versucht, einen Jugendlichen, der mit 230 Stundenkilometern auf der Stadtautobahn unterwegs war, anzuhalten. Der letzte Rekord lag bei 213, aufgestellt von einer 18-Jährigen. Um keine neuen Rekorde zu provozieren, wurde der Polizei nun untersagt, Fotos der Autoraser in Zeitungen zu veröffentlichen. Auf Handys werden sie aber verschickt. (guha, DER STANDARD, Printausgabe, 4.2.2009)