Der Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig und der VP-Wohnbausprecher Peter Sonnberger diskutierten sowohl über Stadterweiterung und -verdichtung als auch über die richtige Mischung von Miete und Eigentum.

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Michael Ludwig (SP Wien) und Peter Sonnberger (VP Linz) waren sich in vielem einig und setzten doch in der von Gerfried Sperl moderierten Debatte jeweils andere Akzente.

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STANDARD: Der Gegensatz von "durchgeplant oder gewachsen" entspricht den programmatischen Leitlinien der Regierungsparteien. Die Wurzeln der SPÖ gingen immer immer mehr in Richtung Planung, der ÖVP zum ungeplanten Wachsen. Wie sehr unterscheiden sich die beiden Parteien in der Praxis?

Ludwig: Ich sehe das nicht so ideologisch. In einer Großstadt wie Wien haben beide Positionen ihre Berechtigung. Es gibt Strukturen, die wachsen, und solche, die geplant werden müssen. Das hängt auch von den Rahmenbedingungen einer Stadt ab. Wien wird bis 2035 bis zu zwei Millionen Einwohner haben. Das zwingt zu größeren geplanten Strukturen in der Stadtentwicklung, etwa das ehemalige Flugfeld Aspern, wo wir in den nächsten Jahren in einem moderierten Prozess aufgrund eines Master-Plans einen ganzen Stadtteil schrittweise errichten werden.

Sonnberger: Als ich 1991 Wohnbaustadtrat in Linz wurde, hatten wir eine große Wohnungsnot. Ich war damals auf Stadtverdichtung durch Dachgeschoßausbauten und Umnutzungsprojekten konditioniert und lehnte Stadterweiterungen ab, weil dies zu lange gedauert und zu viel gekostet hätte. Man muss auch bereit sein, neue Stadtteile mit der vollen Infrastruktur zu begleiten. Inzwischen haben wir auch das gemacht, etwa in der Solar-City in Pichling, und haben 14.000 Wohnungen in diesem Segment gebaut. Es hängt davon ab, was man mit Verdichtung und was mit Erweiterung erreicht. Linz braucht beides.

Ludwig: Auch in Wien betreiben wir nicht nur Stadterweiterung, sondern auch Verdichtung in bewohnten Gebieten. Wir haben einen hohen Anteil alter Bausubstanz - ein Drittel stammt aus der Gründerzeit vor dem Ersten Weltkrieg - und daher einen hohen Sanierungsbedarf. Neben der Stadterweiterung an Randlagen wie Aspern verfolgen wir außerdem eine innerstädtische Stadterweiterung in "Brownfield Areas" - ehemalige Industriegebieten und Bahnhöfe, die ihre Bedeutung verloren haben und jetzt durch den geförderten Wohnbau eine neue Identität erhalten.

Sonnberger: In Pichling war die Stadt frühzeitig bereits die Grundeigentümerin, und das war entscheidend. Deshalb müssen wir auch heute Grundstücke kaufen, die wir erst in 20 oder 30 Jahren brauchen. Wenn es einen Bauer gibt, der etwas verkauft, dann muss man zuschlagen, obwohl man weiß, dass sich in den nächsten zehn Jahren dort nicht viel abspielen wird, aber unsere Vorgänger haben uns das auch ermöglicht. In Pichling musste die Stadt Linz den Grundstückpreis mit den Wohngenossenschaften aushandeln: Der SP-Bürgermeister war auch Finanzreferent. Ich war Wohnreferent und wollte einen möglichst günstigen Preis. Wir haben uns dann in der Mitte getroffen, und das ermöglicht in der Solar-City leistbare Wohnungen in einem qualitativen Segment. Dann hat es eine politische Streiterei über die Rechtsform gegeben. Die SPÖ wollte lauter Mietwohnungen, ich bestand auf 75 Prozent Mietkauf und Eigentum, um eine gute soziale Durchmischung zu erreichen. Wir haben uns dann bei 62 Prozent Mietkauf und Eigentum und der Rest Miete geeinigt. Das hat funktioniert.

Ludwig: So weit liegen wir heute nicht auseinander. Auch in Wien geben wir Wohnbauförderungsmittel nicht nur für die sozial Schwachen aus, wir fördern alle bis hin zum gehobenen Mittelstand. Dafür werde ich kritisiert. Aber wenn man sich zu einer soziale Durchmischung bekennt, dann muss man eine Situation wie in den Pariser Sozialsiedlungen verhindern. Das gibt es in Wien nicht. Wir haben über die Wohnbauförderung dafür gesorgt, dass es keine Segregation gibt, dass in allen Bezirken unterschiedliche soziale Gruppen leben und man nicht an der Wohnadresse erkennt, welcher Gruppe man zugehörig ist. Deshalb fördern wir auch Eigentumswohnungen. Die ÖVP verlangt zwar mehr, aber das geht nicht, weil wir auch geförderte Mietwohnungen für niedrige Einkommensgruppen brauchen.

Sonnberger: Unser Prinzip lautet: so viel Eigentum wie möglich, so viel Miete wie notwendig, und ein absolutes Bekenntnis zur Wohnbauförderung. Sie ist für den sozialen Frieden ein ganz wichtiges Gut, das wir hegen und pflegen müssen. Aber daneben soll es auch einen freien Markt geben. Österreich fährt mit dieser Doppelstrategie gut.

Ludwig: Das eint uns in den Bundesländern, aber ich möchte aber daran erinnern, dass es ein von der ÖVP gestellter Finanzminister war, der die Wohnbauförderungsmittel einschränken oder überhaupt abschaffen wollte. Dank der Einheit der Länder ist das nicht gelungen. Wir brauchen mehr Wohnbauförderung, denn die Bundesmittel wurden seit 1996 nominal nicht mehr erhöht. Daraus ergibt sich umgekehrt eine Verpflichtung der Bundesländer, diese Mittel tatsächlich für den Wohnbau auszugeben. Das ist nicht in allen Ländern so. Für Wien kann ich in Anspruch nehmen, dass wir nicht nur die Mittel aus dem Finanzausgleich für den Wohnbau einsetzen, sondern darüber hinaus 150 Millionen Euro drauflegen.

STANDARD: Beim Thema neue Stadtteile stellt sich auch die Frage nach der Zuwanderungspolitik. Da sind ÖGB und AKrestriktiv, während in der ÖVP zumindest die Wirtschaft mehr Zuwanderung fordert. Was bedeutet das für die Wohnpolitik der jeweiligen Partei?

Ludwig: Alle Menschen, die bei uns leben, sollen die Möglichkeit haben, sich zu entfalten. Das gilt für Arbeitsplätze genauso wie für menschenwürdigen Wohnraum. Allerdings ändert sich die Zuwanderung derzeit: Aus Drittstaaten geht sie zurück, aus dem EU-Raum nimmt sie zu. Die zweitgrößte Zuwanderergruppe in Wien kommt aus Deutschland, und das setzt eine andere Wohnbaupolitik voraus. Es macht einen Unterschied, ob es sich um Großfamilien aus Anatolien handelt oder um Singles aus Deutschland.

Sonnberger: Man muss sich grundsätzlich anschauen, wie sich eine Stadt entwickelt. Die Wanderungsbilanz zeigt, dass sehr viele Jungfamilien die Stadt verlassen, ältere Familien zum Teil wieder hereinkommen und immer mehr Migranten in die Stadtzentren ziehen. Das ist eine wohnpolitische Herausforderung. Man muss sich fragen, wie man Integration ermöglichen und Ghettos vermeiden kann, wo auf einmal die Minderheit zur Mehrheit wird. Das schafft ein ungutes Gefühl in der Bevölkerung. Auch in Linz haben wir Probleme, aber durch lautes Schreien und Sprüche, wie sie Herr Strache klopft, werden sie nicht gelöst. Das müssen wir in die Hand nehmen, steuern und regeln und Lösungen präsentieren. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.2.2009)