Das quallenähnliche Nesseltier Turritopsis dohrnii verdankt seine erfolgreiche Invasion unterschiedlicher Weltmeere seiner besonderen Fähigkeit zur "Rückwärts-Entwicklung".

Foto: M.P. Miglietta

Auch wenn sie nicht so aussehen: Das obere Exemplar aus Panama und dieses Tier aus Florida gehören zur selben Art.

Foto: M.P. Miglietta

Basel - Was Turritopsis dohrnii kann, ist so ziemlich einmalig im Tierreich: Um widrigen Umweltbedingungen oder seinem alters- oder verletzungsbedingten Tod zu entgehen, vollzieht das nur fünf Millimeter große quallenartige Nesseltier eine Art Rückwärtsentwicklung - und wird damit potenziell unsterblich, sofern es nicht einem Fressfeind zum Opfer fällt. Die Art hat inzwischen nicht zuletzt Dank dieser Fähigkeit - bislang praktisch unbemerkt - eine Invasion in völlig unterschiedliche Regionen der Weltmeere vollzogen.

Ein Wissenschaftsteam der Pennsylvania State University unter der Leitung von Maria Pia Miglietta hat sich der speziellen Fähigkeiten der Qualle angenommen und dabei mehrere DNA-Proben genommen, um den Zyklus besser zu verstehen. Wird der Organismus alt oder trifft auf schlechte Lebensumstände, sinkt er auf den Meeresboden ab. Die Turritopsis bildet sich daraufhin in ihre ursprüngliche Polypenform zurück und kann sich so wieder vermehren. "Das ist als würde sich ein Schmetterling in seine Raupenform zurückentwickeln", meint Miglietta.

Vollständige Zellumwandlung

Die Verjüngung der Qualle geht auf ihre außergewöhnliche Fähigkeit zurück, ihre Zellen öfters vollständig umzuwandeln. Muskeln können demnach zu Nerven oder sogar zu Sperma oder Eizellen werden. Auf diesem Weg verwandelt sich die Turritopsis nach Ende eines Zyklus in eine Polypenkolonie, was in einem Quallenleben dem Frühstadium gleichkommt.

Durch die ungeschlechtliche Vermehrung kann die entstehende Kolonie Hunderte genetisch gleicher Quallen in perfekter Kopie der ursprünglichen Qualle hervorbringen. Diese außergewöhnliche Reaktion auf Umwelteinflüsse könnte dem Tier auch bei seiner Ausbreitung in voneinander weit entfernte Teile der Welt geholfen haben.

Die Turritopsis wurde bereits 1883 erstmals im Mittelmeer gesichtet, doch erst seit zehn Jahren kennt man ihre Verjüngungsfähigkeit. Die Erforschung der genetischen Eigenschaften der Qualle sei sehr schwierig, betont Brigitte Aeschbach vom zoologischen Institut der Universität Basel. "Man kann sie im Aquarium kaum züchten, sondern muss sie zur Beobachtung immer wieder aus der freien Natur ins Labor holen."

Invasion

Nachdem das Team von der Pennsylvania State University Mitochondrien-Erbgut-Proben von verschiedenen Exemplaren von mehreren Orten genommen hatte, zeigte sich eine neue Überraschung: Nicht nur dass die völlig unterschiedlich aussehenden Wesen zur selben Spezies gehörten, bestimmte Genabschnitte der untersuchten Tiere aus Spanien, Italien, Japan, Florida und Panama unterschieden sich zudem nur zu 0,31 Prozent, bei 15 Tieren waren diese sogar ident.

Diese genetischen Parallelitäten dürfte auf die enorme aber bisher unentdeckte Wanderbewegung der Tiere zurückzuführen sein. Wahrscheinlich reisen die Quallen per Anhalter im Ballastwasser von Frachtschiffen mit, so eine Erklärung der US-Forscher.

"Die Qualle bevorzugt warme Gewässer. Es ist möglich, dass das Ansteigen der Meerestemperatur ihren Lebensraum erweitert hat", vermutet auch Aeschbach. Badeurlauber werden dem Tier jedoch kaum begegnen. Und zu spüren bekommt man es auch nicht: "Das wenige Millimeter große Wesen ist im Wasser kaum sichtbar. Es besitzt kein Gift und nesselt daher auch nicht", so die Zoologin. (pte/red)