Die Alt-Wiener-Kaffeehauskultur gerät durch das US-amerikanische Coffee-to-go-System unter Beschuss.

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Wien/Graz - "Die Leute sollen konsumieren und schnell wieder gehen" - so beurteilt der Marktforscher Bernhard Heinzlmaier die Philosophie der neuen Kaffeehäuser der "Tempokultur".

Das Prinzip von "Coffee to go" hat seinen Ursprung in der US-amerikanischen Kaffeehauskultur. Heinzlmaier beobachtet eine Vermischung der typischen gemütlichen österreichischen Wiener Kaffeehauskultur und der amerikanischen Mentalität, mit dem Plastikbecher durchs Leben zu eilen.

Dadurch werde die "Alt Wiener Kaffeehauskultur in Nischen gedrängt. Die neuen Kaffeehäuser sind Pausenstationen, wo man wieder Energie auftankt, um mit neuem Schwung in die Umlaufbahn der Hochgeschwindigkeitsgesellschaft geschossen zu werden".

Zwar ist ein Rückgang in der traditionellen Kaffeehauskultur zu verzeichnen, dennoch ist der Trend, dass Österreich im europäischen Vergleich eine Spitzenposition in puncto Kaffeekonsum einnimmt, ungebrochen, wie 2007 aus einer Studie von marketmind unter 500 Österreichern hervorging. Durchschnittlich konsumiere jeder Österreicher acht Kilogramm Kaffeebohnen im Jahr, was etwa 2,6 Tassen pro Tag entspricht.

Für rund drei Viertel der befragten Österreicher und Schweizer besitzt Kaffee den höchsten Stellenwert nach dem "Grundgetränk" Leitungs- oder Mineralwasser.

"Schnabelhäferl"-Training

Der amerikanische Konzern Starbucks versucht eine Brücke zu schlagen zwischen Tempo und Gemütlichkeit. Abseits des Take-away-Plastikbechers will man "den Kunden auch einen ,third place' anbieten, einen Ort, an dem man sich entspannen kann", so der Konzern.

"Ein hektisches Selbstbedienungsrestaurant, wo jeder seinen Kaffee aus einem Plastikbecher säuft, womit er schon das Schnabelhäferltrinken auf einer Pflegestation in einem Pensionistenheim trainieren kann, ist anders kodiert, als wenn ich mich in ein Kaffeehaus setze und auf einem Silbertablett in einer netten Tasse meinen Kaffee mit einem Glas Wasser serviert bekomme", erklärt Heinzlmaier.

Diese Coffee-to-go-Kultur mit ihren "Plastikbechern" spreche die Jugendlichen allerdings an, meint auch Michelle Berberabe, eine Angestellte des österreichischen Unternehmens Coffeeshop Company.

Für welches Kaffeehaus sich Jugendliche entscheiden, hängt laut Heinzlmaier von folgenden Faktoren ab: Image, neue Kaffeeangebote mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen und vor allem die vorhandene Möglichkeit, das Getränk in einer schnellen Form konsumieren zu können.

Stefan Windberger, BWL-Student aus Graz, triff sich etwa fünfmal pro Woche mit Freunden im Kaffeehaus. Seine Ausgaben für Kaffee belaufen sich dabei pro Monat dennoch nur auf 40 Euro. Nicht nur in der Freizeit sucht der 19-Jährige die Cafés auf, sondern "manchmal setze ich mich auch zum Lernen in ein Kaffeehaus."

Am häufigsten sei er in modernen Kaffeehäusern anzutreffen, aber "auch typisch österreichische" wären in Ordnung, "solange ich sie nicht zu oft besuche".

Im Gegensatz zur Hauptstadt, in der sich Starbucks großer Beliebtheit unter jungen Leuten erfreuen kann, wurde bisher in Graz noch keine Filiale eröffnet. Die Gastronomie, die sich auf neue amerikanische Trends konzentriert, stehe im Gegensatz zur traditionellen Kaffeehauskultur laut Heinzlmaier beim "jungen Mainstream" eher im Mittelpunkt, wie das Beispiel McDonald's zeige .

Aggressives Marketing

Die von Extremen geprägte Verkaufsstrategie, nach der Starbucks vorgeht, ruft allerdings heftige Kritik von Globalisierungsgegnern hervor. Naomi Klein, die kanadische Journalistin und Autorin des bereits im Jahr 2000 erschienen Buchs "No Logo!", ist eine ihrer bedeutendsten Vertreter. Im Zentrum ihrer Kritik steht die Taktik "cannibalization" (Kannibalismus). Das Ziel dabei seien belagerungsähnliche Eröffnungen mehrerer Filialen an zentralen Orten. Dass dabei der Absatz der einzelnen Shops sinkt, bewirkt in der Gesamtbilanz des Konzerns keinen Verlust, doch alle Einzelunternehmen würden dadurch ausgeschaltet.

Durch die Großinvasion können außerdem sowohl die Preise der Zulieferer gezahlt werden wie auch die Verkaufspreise künstlich verändert werden. Laut der marketmind-Studie entscheide sich das Konsumverhalten weniger durch den Preis als durch das "Markenimage und den Ort, der in ist". (Bath-Sahaw Baranow, Claudia Schredl, Christine Drechsler/DER STANDARD, 3.2.2009)