Kollektives Fernsehen...

Foto: Andreas Rossmeissl

...unter Freunden...

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...bei gesundem Essen,...

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..netter Gesellschaft und...

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...feinen Tischmanieren.

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Wien - Im Marriott Hotel in Wien riecht es nach Fleischlaberln. Hunderte Menschen, teils in bunten Trikots, drängen sich in der Eingangshalle, auf riesigen Leinwänden sieht man Bilder von Konzerten. Es ist Super Bowl Nummer 43, die Arizona Cardinals treffen auf die Pittsburgh Steelers. Und die Raiffeisen Vikings, Footballteam aus Simmering, veranstalten die laut eigenen Angaben „größte Super Bowl Party Europas". 2600 Besucher seien es letztes Jahr gewesen, heuer sollen es mehr werden. „All you can eat, all you can drink" für 35 Euro. Es gibt - ganz amerikanisch - süß-sauren Truthahn, Pizza und Hamburger. „5000 Burger", erzählt Walter Suchentrunk, „Manager of Food and Beverages" im Marriott, „dazu 4000 Liter Bier, für 1200 Personen." Bei der Zahl der Gäste gehen die Meinungen auseinander. Laut Barbara Murth, Organisatorin der Feier, sind es 3600, von knapp über 3000 spricht Alfred Neugebauer, Pressesprecher der Vikings. Ob so viele Menschen überhaupt erlaubt seien? „Eigentlich nicht. Aber es hat in den 17 Jahren, in denen es diese Feier gibt, noch nie Ausschreitungen gegeben." Gut zu wissen.

In jeder Ecke hängt eine Leinwand oder ein Bildschirm, die Menschen sitzen und stehen auf mehrere Räume verteilt, jeweils in Gruppen von einigen Hundert. An fünf Standorten kann man sich am Buffet bedienen, die Schlangen sind vor allem zu Beginn lang. Beginnt man mit der Sitzplatzsuche erst nach dem Essen, hat man schon verloren. Die Sessel sind bedeckt mit Jacken, Zeitschriften und Tellern. In der V.I.P.-Lounge kennt man solche Probleme nicht. Dort sitzt Sportmoderator Edi Finger: „Ich liebe American Football, auch wenn ich die Regeln nicht verstehe. Es ist modern und wie fürs Fernsehen gemacht."

Ebenfalls ohne Sorgen um den Sitzplatz: Diejenigen, die für fünf Euro Aufpreis einen Sitzplatz reserviert haben. Unter ihnen der dritte Nationalratspräsident Martin Graf. Zum zehnten Mal sei er bereits hier, ein großer Football Fan jedoch keiner. Sein Siegertipp: „Die Arizonas".

Damit gehört er zur Mehrheit. Die Cardinals sind die emotionalen Favoriten im Marriott. Das merkt man spätestens, als die Mannschaften das Feld betreten. Die Steelers werden ausgebuht, die Cardinals, vor allem Kurt Warner, bejubelt. Im Minutentakt verlassen Menschen den Raum um wenig später mit Bier und Burger zurückzukehren. Dass nicht alle Zuseher auch regelmäßige Football-Seher sind, wird schnell klar. Jemand stellt die These auf, dass die Steelers nur aus weißen Spielern bestehen würden, für große Unterhaltung sorgen die Haare von Troy Polamalu und die Statur einiger Offensive Linemen.

Die nächste Verwirrung beim vermeintlichen Touchdown der Steelers nach ihrem ersten Ballbesitz. Warum doch kein Touchdown? Was bedeutet die rote Flagge? Die Footballexperten erklären geduldig, wann der Ball wo sein muss und dass mit der roten Flagge der Videobeweis gefordert wird. „Aha. Das ist praktisch, das könnte man beim Fußball auch einführen." Vergleiche mit Fußball hört man an dem Abend oft. Etwa um die Rolle des Quarterbacks zur erklären („Spielmacher") oder jene der gelben Flagge („Foulpfiff")

Der Touchdown wird schlussendlich nicht gegeben, die Cardinals-Fans jubeln. Zur Halbzeit steht es trotzdem 20-7 für die Steelers. Viele jener, die das Spiel noch nicht ganz verstanden haben, verlassen das Marriott. Morgen sei Montag, die Steelers würden ohnehin gewinnen und Bruce Springsteen, der in der Halbzeit auftritt, sei auch nicht mehr das, was er einmal war.

Jene, die geblieben sind, bereuen es nicht. Im vierten Quarter erzielen die Cardinals innerhalb von fünf Minuten 16 Punkte. 23-20, der Außenseiter liegt voran, der Favorit ist in Bedrängnis. Aber knapp 40 Sekunden vor Schluss platzt der Traum: Mit den Zehenspitzen in der Endzone fängt Santonio Holmes den entscheidenden Touchdown.

Es ist zehn nach vier und auf einmal macht sich Müdigkeit breit. Die wenigen Steelers-Fans jubeln zwar, die Mehrheit ist aber geknickt. Die Cardinals haben die Steelers an den Rand einer Niederlage gebracht, der Favorit hat aber schlussendlich gewonnen. „Aber gut gespielt habens', die Cardinals." Und: „Hätte auch anders ausgehen können." An den Reaktionen merkt man: Ob man in Österreich Football- oder Fußballfan ist, der Unterschied ist letztlich nicht so groß. (Andreas Rossmeissl; derStandard.at; 2. Februar 2009)