Wien - Der Tiroler Händl Klaus beharrt in seinen (Legenden) genannten Prosastücken auf die größtmögliche Distanz zur Alltagswelt. Irgendwo da draußen, von ihm aus gesehen: weit hinter den Tiroler Bergketten, in deren Schatten diese Miniaturen ihre Beredsamkeit entwickeln, beginnt die kalte, anonyme, von Technik und Normen angeleitete Zivilisation.

Händls Kalendergeschichten sind das genaue Gegenteil dessen, was Johann Peter Hebel einst unter dieser Gattung verstand: "lehrreiche Nachrichten und lustige Geschichten". Sie verhandeln in drolligen Kehren und irritierenden Schleifen das Kreuz der Dörflichkeit. Sie sind auf die treuherzigste Weise makaber. In ihnen steckt sehr viel mehr Wissen, als sie preiszugeben gesonnen wären.

Was besonders erstaunt: Händl Klaus ist ein zu recht gefeierter, durchaus nicht auf den Mund gefallener Dramatiker und Filmregisseur. Was mag ihn dazu bewogen haben, im Verein mit dem Schweizer Klavierstimmungskünstler Ruedi Häusermann ausgerechnet zehn introvertierte, von jeder äußeren Anleitung absehende Stimmungsskizzen im Kasino am Schwarzenbergplatz "uraufzuführen"? Es handelt sich, mit Blick auf vier präparierte und auf Rollen gesetzte Einhand-Pianinos, um ein stimmungstechnisches Generalversehen: kein Theater, nirgends.

Raffinesse durch Klang

Denn der umständlich betitelte Abend Die Glocken von Innsbruck läuten den Sonntag ein genügt sich vor allem selbst. Darin liegt zugleich auch seine Raffinesse: Im abgedunkelten Licht eines alpenländischen Landvermessungsbüros entfalten vier Musiker, zwei Schauspieler und ein Autor (Händl Klaus) eine bienenfleißige Betriebsamkeit. Wenn nicht gerade Klaviermöbel zu immer neuen Skulpturen zusammengesteckt werden, macht sich ein Laborant schraffierenderweise an einer Wandkarte zu schaffen.

Schlagzeugbecken hängen von der Decke, um zum Zwecke tumultöser Lärmerzeugung auf den Boden zu rasseln. Emsige Zimmerleute verlegen Bodenplatten, und wenn nicht gerade wundermilde Chöre angestimmt werden, kriechen einige Mitwirkende unter Schachteln, um sich als liebes Bergvieh bemerkbar zu machen.

Dazu perlen Klavierklangtropfen: Man glaubt sich in eine vergessene Zweigstelle des Alpenvereins versetzt. Lauscht tief ergriffen Händls Deklamationen, deren jede so lauter klingt wie das stille Rieseln handgeschöpften Bergquellwassers. "Böse" sind die Figuren, von denen der Autor erzählt. Sie haben nur kein Bewusstsein davon, was es heißt, verantwortlich zu handeln. Also töten sie Katzen und prügeln auf ihre Frauen ein. Vielleicht ist dieser subtil schnurrige Abend auch nur zu schön, um wahr zu sein. Ein kleines bisschen langweilig ist er doch. (Ronald Pohl, DER STANDARD/Printausgabe, 01.02.2009)