Am 50. Jahrestag der Ankündigung des II. Vaticanums durch Papst Johannes XXIII. hat sein vierter Nachfolger vier extremistische, seit langem exkommunizierte Bischöfe ohne Vor- oder Gegenleistung wieder in die Kirche aufgenommen.
Es sind nicht die bühnenreifen Gesten seines Vorgängers, mit denen dieser Papst agiert. Es sind scheinbar unaktuelle, unvermutete Schachzüge eines Kirchenlehrers der erzkonservativen Art. Weil dieser Theologie-Professor Joseph Ratzinger gleichzeitig Papst ist, geraten diese Züge zu Schlagzeilen eines autoritären Pontifex. Als solcher betreibt er seit seinem Amtsantritt konsequente Weltveränderung über die Glaubenslehre, deren Wächter er lange auch war.

Nicht jene Kommentatoren haben Recht, die meinten, Benedikt XVI. habe sich erneut einen Fehler geleistet. Und der in Fragen des Holocaust sehr deutliche Wiener Kardinal Christoph Schönborn vernebelte die römische Wirklichkeit, als er in der "ZiB2" insinuierte, der Papst sei von Helfern über den Bischof Williamson nicht ausreichend informiert (also hineingelegt) worden.

Viel eher stimmt, was der Grazer Kirchenhistoriker Maximilian Liebmann unterstellt: All diese angeblichen Fehltritte des bayrischen Papstes seien ganz gezielte Aktionen und "von langer Hand vorbereitet".

Zuerst die Regensburger Erklärung, die den Islam aufgebracht hat. Dann die Zulassung lateinischer Messen, gefolgt von der Ermöglichung des Karfreitag-Gebets für die "treulosen Juden" . Und jetzt die Rehabilitierung der Lefevbre-Traditionalisten und Holocaust-Leugner. Zuviel der Zufälle.

Worum geht es Benedikt in Wirklichkeit? Um die innerkirchliche Eliminerung des II. Vatikanischen Konzils und um die erneute Etablierung der traditionalistischen Glaubenslehre. Nicht die Menschlichkeit steht somit im Vordergrund der neuen (uralten) vatikanischen Linie, sondern der Glauben. Ein Platztausch also. Als Therapie gegen den "Relativismus" unserer Zeit. Die Folgen könnten gravierend sein. Denn im Namen des Glaubens wurden nicht nur riesige Verbrechen begangen, viele Diktatoren (in Europa zuletzt Franco) wurden vom Vatikan als gute Katholiken geschätzt.

Der Papst hat zur Frage der Juden-Vernichtung zwar verurteilend nachgesetzt. Wichtiger ist ihm die Einheit der Kirche im Namen des Glaubens, zweitrangig sind "politische" Äußerungen wie die dezidierter Holocaust-Leugner.

Die anschwellende Freude über die Treue dieses Papstes zum Grundsätzlichen, die Näherung an eine theologische Diktatur des Prinzipiellen scheinen für konservative Denker allemal sinnstiftender als die Befassung mit der Finanzkrise. Das tut doch schon jeder. Wie der Münchner Erzbischof Marx mit einer Titelleihe von seinem Namensvetter. Mal sehen, ob es der Autor des Buches "Kapital" zum Kardinal bringen wird.

Wenn sich jemand wie Hans Küng, Ex-Kollege des Papstes als Konzilstheologe, in einem Standard-Kommentar einen Obama im Vatikan wünscht, dann ignoriert er das Wesen einer streng hierarchischen Kirche. Benedikt XVI. kann auch nicht abgelöst werden. In einer göttlichen Ordnung. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, Printausgabe, 2.2.2009)