Nehmen Sie hoch das Bein: Herr Rudi hat hier schon ein ganzes Schwein live zerlegt. Schlussakkord: ein Haxen, oder wenn Sie das bevorzugen, eine Haxe.

 

Gut Purbach
Hauptgasse 64
7083 Purbach
Tel/Fax: +43 2683 56086
Mail: gutpurbach@aon.at

Sautanz: pro Person 40 Euro, Getränke extra (Kännchen Assam 4 Euro, Achtel Blaufränkisch vom Gut 3 Euro)

Foto: Katharina Schell

Eben noch auf unserem gewaltigen Schneidbrett, gleich im Kesselfleisch: der Sauschädel. Schöne Grüße an Raiffeisen.

Foto: Katharina Schell

Nichts versiebt: Auf dem Weg zur wahrscheinlich weltbesten Blunze nahm Schweineblut literweise den Weg durch dieses Instrument.

Foto: Katharina Schell

Flesh for Fantasy: Daran knabbern auch angemeldete 125 Leute ein bisschen länger als einen Nachmittag.

Foto: Katharina Schell

Uns nicht wurst, wieviel Bratpotenzial in ein, zwei Säuen steckt. Und wie gutes!

Foto: Katharina Schell

14 Uhr, Purbach am Neusiedler See. Die Figur hält. Noch. Max Stiegl hat ins Gut Purbach zum Sautanz geladen. Zwei Schweine (und das Zubehör des einen oder anderen weiteren) verarbeitet er mit kundigen Kräften im Hof des alten Gemäuers. Wie weiland Schlachtfest auf dem Bauernhof. Sympathisch daran: Verputzt wird das ganze Tier, von Rüssel (Sauschädel aus dem Kesselfleisch, Rest in die Blunze) bis zum Ringelschwänzchen, wobei: Das Schweine-Endstück hab ich später nicht mehr entdeckt.

21.10 Uhr, noch immer Purbach. Die Figur spannt. Ein bisschen jedenfalls. Nach - gefühlt - einer halben Sau alleine für mich und die Schmecks-Kumpane Arnim und Katharina, heute zudem im Einsatz als Schweine-Paparazza. Mehr vom eindrucksvollen Ergebnis finden Sie in der Sautanz-Diashow kommende Woche bei Schmecks.

Rudi am Ruder

Da kommt man ins Sinnieren: Wenn wir drei eine halbe Sau hatten und die wunderbare Vegetarierin an unserem Tisch den oberfeinen Krautsalat und die Erdäpfel und das Brot und den Wein - mussten die anderen gut 100 Gäste vom Purbacher Bürgermeister auf-, seit- und abwärts hungrig und durstig ins Bett? Eher nein: Der Schweinkram reichte für ein, zwei weitere Tage Völlern im Gut Purbach, schätze ich.

Eine Sau, sechs Monate bis zum professionellen Tod im Schlachthof am Donnerstag vor dem Tanz, rund 120 Kilogramm, vielleicht auch 150, hängt auf dem  Holzgestell, das noch von Rudi Neumayrs (hoffentlich richtig geschrieben) Opa stammen dürfte und an eine ziemlich roh gezimmerte Garderobe erinnert. Fein säuberlich längs halbiert, das Schwein. Von Rudi, dem gelernten Fleischermeister. Inzwischen ist er Hundeführer beim Bundesheer und macht richtige Schweinereien nur noch auf Sonderwunsch.

Rudi, Schnauzer, weißer Arbeitsmantel, sehr scharfe Messer und ein gewaltiges Holzpaddel, ist der Mann, ohne den hier gar nichts geht. Rudi zieht der Sau mit elegantem Schnitt den Fettmantel vom Fleisch, schnippelt ihn klein zu dicken Quadern, aus denen er die weltbesten Grammeln in gigantischer Menge köchelt, paddelgerührt, versteht sich. Rudi holt den allersaftigsten Lungenbraten aus dem Schwein, schmeißt ihn auf Stiegls Grill, Stiegl streut bisschen Majoran drauf und Pfeffer und Salz und wow.

Ein Meter Pfanne

Aber mit den angeblich edelsten Teilen (Lungenbraten mein ich jetzt, und nicht, woran Sie bei Max Stiegl gleich gedacht haben) fängt man hier nicht an. Sondern im Inneren des Tiers. Dafür haben Max Stiegl und der beigezogene Chef von Fredericks Catering eine Pfanne angekarrt, in der man locker und lässig zu zweit über den Neusiedler See rudern könnte, wenn sie nicht aus Gusseisen wäre. Gut ein Meter Durchmesser, schätze ich. Damit schupft nur noch Otto Wanz Palatschinken.

Wir wollen hier aber ohnehin einen Haufen Schweinenieren (aus Kochperspektive links der Demarkationsleiste in der Mitte) und (rechts, klar) Unmengen Leber auf Konsumtemperatur bringen. Bisschen grüne Bohnen und getrocknete Paradeiser hier, Jungzwiebel und so weiter dort, dunkler Bratensaft, yeah! 14.13 Uhr die Niere. 14.26 die Leber. Auf der Basis kann man weiterarbeiten.

Schweinebauch, durchzogen mit Fleisch

Am besten mit einer heute frisch gefüllten Bratwurst, ehrliche 18 Zentimeter lang und im Durchmesser durchaus ansehnlich. Darauf passt, wir schreiben 14.47 Uhr, ein ordentliches Stück vom Schweinebauch, erfreulich untrainiert, cremiges Fett, gerade noch nicht überfordernde Kruste, fein durchzogen von Fleisch. Keine Rede von Sixpack, beim Schwein nicht und bei mir auch bald nimmer. Sportlich dagegen die Schulter zum Kontrast, auch als Braten, lean and mean geradezu, viel Fleisch, kaum sichtbares Fett, trotzdem sehr, sehr saftig.

Spätestens an dieser Stelle erwäge ich, meine antizyklische Jänner-Fastenzeit (bezieht sich nur auf Trinken, nicht auf Essen) zu unterbrechen: So eine Wahnsinns-Unterlage, und dann kein Alkohol? So eine Völlerei, und kein spaltendes Material dazu? Ich bleibe bei Wasser und Tee. Viel Tee. Kaffee ist im Jänner auch gestrichen (warum eigentlich?). Und Fettberg macht müde. Assam, steh mir bei!

Da ragt der Rüssel aus dem Kessel

Max Stiegl wirft ungerührt Koteletts auf den Grill, der Rudi dazu den Lungenbraten frisch aus der Sau, aber von dem hab' ich eh schon geschwärmt. Auf mittelschweren Kanonenöfen, eigens fürs Kochen mit Holzbefeuerung gebaut offenbar, blubbert gleich nebenan das Kesselfleisch. Was von der Sau so übrigblieb. Hier ragt ein Rüssel aus der Brühe, umringt von Teilen, die ich nicht mehr so richtig zuordnen kann und vielleicht auch nicht will. Was davon gegessen wird, gut, sagt der Rudi. Der Rest kommt in die Blutwurst. Grundvernünftiger Plan.

Aber erst schmeißt der Rudi die groben Fettwürfel in den mittleren Kanonenofen, eine ganze große, mehr als gehäufte Plastiksteige voll und greift zum Paddel. Unten im Pott ordentlich Milch, damit die Grammeln eine gesunde (haha!) Bräune annehmen. Aus dreimaldreimaldrei Zentimetern weißem Fett werden klitzekleine, knusprige, schlichtweg geniale Suchtmittel. Mit gehacktem Knoblauch überhaupt, eine Schmecks-Empfehlung mit acht Rufzeichen von drei.

Angst vor Grammeln

Zu dritt ein nicht einmal gehäufter Suppenteller für uns, optisch quasi ein Witz. Trotzdem sagt Arnim nach den ersten Bissen: "Ich habe Angst vor den Grammeln." Katharina, um philosophischen Unterbau zur Welterklärung selten verlegen: "Bei Grammeln kann man nicht aufhören. Und irgendwann speibt man." Gleich danach nominieren wir die Exemplare hier für die Grammly Awards. Verzeihen Sie, aber alles Blut wird inzwischen in der Magen-Darm-Gegend gebraucht.

Nur ruhig Blut

Wir knabbern unbeirrt weiter, legen zur Absicherung des Gefahrenguts dazwischen und darauf ein paar Grammelpogatscherl. Die eher trocken, aber genau so erfüllen sie ihren Zweck am besten, und sie schmecken, oha, sogar der Vegetarierin. Wahlweise umspült die Pogatscherl ohnehin Blaufränkisch oder Assam. Grammel, Pogatscherl und Flüssigkeit, dazu live Mosa Sisic und sein Gipsy Express sowie als optische (und gelegentlich auch akustische) Auflockerung die Folgen eines 40. Geburtstags mit ordentlich Magnumflaschen schon am Nachmittag an der Tafel nebenan: Damit überbrücken wir lässig die Durststrecke bis zur Blunze. Nur ruhig Blut, dürfte Rudi sich gedacht haben, gegen das kulinarische Ende eines Sautanzes soll man halt nicht mehr hetzen.

Die Gäste indes, ein Gutteil von ihnen jedenfalls, leidet offenkundig schwer schon an Unterzucker und sonstigen Mangelerscheinungen: 30 Eier!, ruft Max Stiegl, und zieht einen ebenso vorbildlichen wie vanilligen Kaiserschmarrn vor, um die Wartezeit zur Blunze zur verkürzen.

Kaiserschmarrn, dann Blunze

Zwei Stunden (zumindest) bis There Will Be Blood in Purbach bringen wir so auch noch herum. Arnim zudem mit Assistenzleistungen für Herrn Rudi. Wir können mit einigem Schmecks-Stolz berichten: Er hat die weitgehend schwebstofffreie Zuführung von Unmengen Schweineblut zur Semmelbrösel-Saurest-Pampe definitiv nicht versiebt. Nach einer weiteren Meditation Rudis über der händisch betriebenen Wurstindendarmfüllmaschine und einer halben Stunde Blunzenschwimmtraining im ziemlich genau 70 Grad lauen Kanonenofenwasser gehts aber dann doch los. Ich sage nur: Cremig, frisch, genial, beste Blunze ever. Danke auch Arnim für die ruhige Hand beim Blutsieben.

Metzger-Pop

Der Geburtstags-Vierziger, zuletzt selig schlummernd, bekommt dazu auf Wunsch noch My Way. Wir bevorzugen derzeit ja die Version der Popmetzger mit der gediegenen Refrainvariante "Ich bin ein Mastschwein" - nachzuhören genau hier. Beim nächsten Sautanz bitte als Hauptact, wenn die Tamburica (schreibt man das so?) wieder so rasch ermattet. Wobei: Wir können's Ihnen nach sieben Stunden Völlern nachfühlen.

PS: Laut Herrn Stiegl haben ein paar Leute deutlich länger ausgehalten als die Tamburica und wir: "Lustig und spät ist es geworden (5.30) um 8.00 sind die ersten wieder frühstücken gekommen." Haben offenbar einige noch ordentlich die Sau rausgelassen.

Ab kommenden Dienstag bei Schmeck's: Die Sautanz-Diashow von Katharina Schell. Bleiben Sie dran...