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Entscheidend für den Umgang mit knapper Zeit ist, wie Veränderungen im Umfeld wahrgenommen und bewertet werden ...

Foto: AP/Frank Augstein

Wien - Wer weiß, dass die Zeit für eine bestimmte Aktivität begrenzt ist, schätzt diese umso mehr. Das ergab eine Studie des Pomona College in Claremont (USA). Die Forscher baten Studenten sechs Wochen vor ihrem Abschluss um die Protokollführung ihrer Tätigkeiten. Einem Teil der Gruppe wurde ständig vermittelt, der Abschluss stünde unmittelbar bevor, während er in der anderen Gruppe als ein Ereignis in weiter Zukunft dargestellt wurde. Die Studenten der ersten Gruppe nahmen an weitaus mehr Aktivitäten des Colleges teil als die Vergleichsgruppe.

Bewusstwerdung

"Entscheidend für den Umgang mit knapper Zeit ist, wie Veränderungen im Umfeld wahrgenommen und bewertet werden", bestätigt der Wiener Arbeits- und Organisationspyschologe Boris Zalokar. Zeitbegrenzung kann zuvor ruhende Ressourcen im Menschen mobilisieren. "Das Bewusstwerden der knappen Zeit gibt die Chance, Situationen neu einzuschätzen und mehr aus den verfügbaren Möglichkeiten zu machen", so Zalokar.

Neue Strategien für den Ausbruch aus dem Alltag erforderten jedoch Eigeninitiative. "Handlungsfähig bleibt man, wenn man die eigenen Ressourcen erkennt und den konkreten nächsten Schritt überlegt." Die Konzentration auf das Wesentliche könne so eher gelingen, sie erfordere jedoch auch die Delegierung bestimmter Aufgaben und richtige Grenzsetzung. "Andernfalls wird die knappe Situation als Bedrohung und somit als nicht bewältigbarer Stress wahrgenommen, was bis zum Burnout führen kann", betont Zalokar.

Erholung und soziales Netz

Positive Bewältigung knapper Zeit erfordert darüber hinaus Ausgleichszeiten. "Auch wenn man in Spitzenzeiten Topleistungen erbringt, braucht es dazwischen Erholungsphasen, in denen ein zumindest kurzes Abschalten möglich ist. Wie im Sport muss sich Aktion und Regeneration abwechseln", so der Arbeitspsychologe. Wichtig sei auch ein soziales Netz, auf das bei Bedarf zurückgegriffen wird. Funktionierende familiäre Beziehungen spielen hier eine große Rolle. "Bereits die bewusste Wahrnehmung dieser Sicherheit genügt in vielen Fällen. Ich muss wissen, bei wem ich emotionelle oder fachliche Unterstützung bekomme." Viele würden sich selbst im Weg stehen, indem sie sich genieren, andere um Hilfe zu bitten, so der Psychologe.

Todkranke wissen in besonderer Weise, wie begrenzt die Zeit ist. "Für Außenstehende ist oft unerklärlich, dass viele die schreckliche Diagnose Krebs als Wendepunkt für ihre Weiterentwicklung sehen. Die Betroffenen nehmen sich Zeit, nachzudenken oder in Ruhe zu lesen, und orientieren sich stärker auf die Zukunft als zuvor", so Zalokar. Bewusstes Erleben der Zeit sei jedoch auch im Alltag möglich. "Wenn ich zu der Überzeugung gelange, dass ich in meinem Tun aufgehe, kann ich dadurch Sinn erleben", so der Wiener Psychologe. (pte)