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Präsident Wladimir Putin

Foto: APA/EPA/Charles Platiau

Teil 5 der Serie

Irak ist nicht Tschetschenien. Zwar dominiert die Frage eines Krieges auch in Russland die Medien. Doch angesichts des bevorstehenden Referendums in der Kaukasus-Republik kann von einem heiklen Thema nicht die Rede sein. Und Irak ist nicht Serbien, als die Nato 1999 bombardierte.

Damals war in Russlands Medien der Teufel gegen Amerika los. Mit Putins Wende zum Westen schreiben wir ein anderes Zeitalter, auch in der öffentlichen Meinung.

Fast alle Medien dominieren mögliche Auswirkungen auf die russische Wirtschaft. Uneins ist man, wie weit Amerika Russlands Wirtschaftsinteressen im Irak wahren wird.

Manche Kommentatoren mahnen, die Chance nicht zu verpassen, wenn der Kuchen aufgeteilt wird. Andere zweifeln an Amerikas Zuverlässigkeit, denen es ja selbst nur ums Öl gehe, wie es quer durch alle Blätter heißt.

Antiamerikanischer Ton

Der Ton ist traditionell antiamerikanisch, vor allem im leicht proirakischen Moskauer TV-Kanal TVC. Aber der Ton dominiert nicht. Die Russen wollen zwar eine friedliche Lösung, doch nur noch Exoten unterstützen Saddam Hussein: Nationalist Vladimir Schirinowski nutzte einen Besuch bei Saddam zum wodkageschwängerten Angriff gegen die USA und Bush mit tiefstmöglichen Vokabular. Der Videomitschnitt gelangte an die Öffentlichkeit, löste Kopfschütteln bis Rücktrittsforderungen aus.

TVS und NTV irakkritisch

Die privaten Fernsehkanäle TVS und NTV gelten als irakkritisch. Die kommerziellen Sender greifen das Thema seltener auf als die beiden staatlichen. In deren Kremlhofberichterstattung dominiert der Standpunkt des Außenministeriums, das eine friedliche Lösung vertritt.

Die Sicht findet sich freilich auch in allen anderen Medien. Ohne kämpferischen Ton - Russland wird als Mitglied der europäischen Antikriegskoalition auch nicht wie Frankreich attackiert.

Unüberhörbar auch in Qualitätsblättern die patriotisch-großmachtverliebte Genugtuung, von allen Seiten als ständiges UN-Sicherheitsratsmitglied umworben zu werden und mit dem alten Europa einen Pol neben Amerika zu schaffen.

Putins Doppelspiel

Aber man weiß, Putin gibt letztlich die Linie vor. Dass hinter den Kulissen gehandelt und Russland kein Veto einlegen wird, ist in den russischen Medien vielleicht mehr präsent als in westlichen. Freilich spricht sich niemand für den Krieg aus. Vielseitig, nüchtern und pragmatisch kommentiert das auflagenstarke Gros der Medien Putins Doppelspiel. Wissend, dass er nach allen Seiten sein Gesicht wahren will und die unangenehmste Situation eine Abstimmung über eine zweite UN-Resolution ist. "Im Lift stecken bleiben, und die Abstimmung versäumen", riet kürzlich der gewiefte Chefredakteur des freien Radios Echo Moskvy. (DER STANDARD, Printausgabe, 7.3.2003)