Alfred Gusenbauer ist Referent: Der ehemalige Kanzler freut sich über seinen Dienstausweis der Arbeiterkammer Niederösterreich.

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Wien - Alfred Gusenbauer ist "innerlich und äußerlich gereinigt". Im Jänner war er auf Urlaub, Sri Lanka, 32 Grad, Ayurveda, zehn Kilo weniger, 14 Bücher gelesen. 14. "Mehr als ein durchschnittlicher Journalist in einem Jahr", merkt er an und lacht.

Im Dezember 2008 war er noch Bundeskanzler, jetzt sitzt er in seinem neuen Büro in der Arbeiterkammer Niederösterreich und geht die Woche gemütlich an. Das moderne Bürogebäude liegt in Wien-Mariahilf in der Windmühlgasse, da kann er von zu Hause aus zu Fuß in die Arbeit gehen. Die Umgebung und die Lokale kennt er schon, er hat hier schon einmal gearbeitet, zehn Jahre lang, bis zum Jahr 2000, dann wurde er Bundesgeschäftsführer der SPÖ und gleich darauf Parteivorsitzender.

Vom Sechsten in den Siebenten

Als Gusenbauer 2000 hier auszog, verließ er ein Büro im sechsten Stock. Jetzt hat er es sich verbessert: siebenter Stock. Ein nicht allzu großes Zimmer, ein ganz unprotziger Schreibtisch, ein Besprechungstisch, ein Aktenschrank, dunkelbraun, typisch 80er-Jahre. Aber ein prächtiger Ausblick. Gegenüber ist leider gerade eine Baustelle. Gusenbauer schaut hinaus. Am Dachausbau turnt ein Arbeiter herum, ungesichert. "Da könnt einem schwindlig werden", sagt Gusenbauer.

Der 48-Jährige hat jetzt einen Dienstausweis der Arbeiterkammer, "meine Stempelkarte". Allerdings will er nicht am Bürosessel kleben, "ich verstehe mich als mobile Einheit", sagt er. Also hinausgehen, mit den Leuten reden. Im Übrigen hat Gusenbauer auch eine eigene Firma gegründet. Sie heißt "Gusenbauer Projektentwicklungs- und Beteiligungs GesmbH". Gusenbauer ist dort der "Alleinunterhalter", wie er versichert. Er will seine guten Verbindungen ist Osteuropa, in Lateinamerika und Spanien nutzen. "Wenn österreichische Firmen Interessen haben, dort in Märkte hineinzukommen, bin ich gerne behilflich", sagt er. In seiner Freizeit natürlich.

Ausnahmesituation

Das werde seine Tätigkeit bei der niederösterreichischen Arbeiterkammer nicht beeinträchtigen, versichert deren Direktor Helmut Guth, der sich im Übrigen mit einer Ausnahmesituation konfrontiert sieht. Er wird es aber aushalten, dass der Exkanzler jetzt sein Untergebener ist. Guth verspricht, seinen neuen Mitarbeiter nicht mit Routinearbeit zuzuschütten. Diese Woche ist noch ruhig, Termine mit Mitarbeitern einer Schülerzeitung, mit Jugendlichen kann der Ex-Kanzler ja besonders gut, das macht er gerne.

Seine Tätigkeit in den USA beginnt Gusenbauer Ende Februar, die Vorlesungen an der Columbia University in New York und an der Brown University in Providence hat er geblockt, jeweils eine Woche im Monat wird er weg sein.

In Fragen der Innenpolitik will sich Gusenbauer "selbstverständlich" nicht einmischen, aber zu den Antikrisenpaketen hat er doch etwas zu sagen, als Arbeitnehmervertreter nämlich. "Uns geht es darum, dass nicht in erster Linie die Anteilseigner schadlos gehalten werden. Es muss darum gehen, Arbeitsplätze, Beschäftigung und Einkommen zu sichern", sagt er.

Jetzt gehe es auch darum, wie Europa auf die Menschen zukomme. "Wenn die Leute den Eindruck haben, das ist nicht ihre Veranstaltung, sondern nur die der großen Konzerne und Gewinner, dann werden sie eher skeptisch sein. Gewinnen sie aber den Eindruck, dass Europa auch etwas gegen die Wirtschaftskrise tut und sich für die Erhaltung der Arbeitsplätze einsetzt, dann wird sich die Stimmung verbessern. Es ist nicht nur eine Frage der Vermittlung, sondern auch welche Politik gemacht wird." Sagt Gusenbauer. Das klang nach dem Kanzler, es ist aber nur der Europa-Referent der Arbeiterkammer Niederösterreich, und das Büro ist viel kleiner. Aber der Ausblick ist prächtig. Wenn da bloß nicht der Arbeiter am Dach herumturnen täte, da sollte man glatt einen Arbeitsinspektor vorbeischicken. (Michael Völker/DER STANDARD, Printausgabe, 29.1.2009)