"Haben Sie gelogen, Mr. President?" David Frost / Michael Sheen bringt Richard Noxon / Frank Langella in Bedrängnis.

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Zur Person:
Peter Morgan (45) ist britischer Drehbuchautor. In London als Sohn eines deutschen Juden und einer Deutschpolin geboren, verfasste er sein erstes Skript als 26-jähriger. Zahlreiche Ehrungen, darunter Oscar-Nominierungen für The Queen und für Frost/Nixon. Morgan lebt mit seiner österreichischen Frau in London.

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1977, drei Jahre nach seinem unfreiwilligen Abgang, sprach US-Präsident Nixon im Fernsehen zum ersten und einzigen Mal ausführlich über seine Karriere - und über die Watergate-Affäre, über die er gestolpert war. Das Gespräch mit David Frost wurde zu einer Mediensensation. Man hatte dem britischen Talkshow-Master nicht zugetraut, dass er Nixon zu einem Eingeständnis seiner Fehler bringen würde. 30 Jahre später verarbeitete Peter Morgan das Duell der beiden ehrgeizigen Männer zu einem in London und New York erfolgreichen Theaterstück. Die Verfilmung des Dramas, Frost/Nixon, läuft am 6. Februar an. Der Drehbuchautor im STANDARD-Interview

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Standard: Mr. Morgan, Sie waren elf, als Nixon 1974 zurücktrat, und vierzehn, als er von David Frost interviewt wurde. Hinterließ das einen Eindruck auf Sie?

Morgan: Überhaupt keinen. Mich interessierte das erst 1993, als Frost im Fernsehen über seine Karriere erzählte. Ich forschte ein wenig nach und merkte, dass man diese Interviews fast vergessen hatte. Jetzt sind sie wieder bekannt, es gibt sie sogar als DVD. Frost hat ja seit dem Theaterstück und dem Film ein kleines Gewerbe aus seinem Ruhm gemacht. Manche Leute glauben ja, der Film habe Nixon rehabilitiert - ich denke, er hat eher Frost rehabilitiert. Und ich weiß nicht, was mir mehr zu schaffen macht.

Standard: Warum das?

Morgan: Frost geht es, wie ich es auch im Film gezeigt habe, vor allem um gesellschaftliche Anerkennung. Er ist schon ein toller Interviewer, aber er wurde in England immer ein wenig geschnitten. Er will so sehr gemocht werden, dass es seinen Gesprächspartnern keine wirklich schwierigen Fragen stellt. Er möchte ja, dass sie auf seine Sommerpartys kommen. Und er will alles auf einmal sein, ein ambitionierter Interviewer, ein Komiker, ein Talkshow-Master, und dadurch ist er auch ein bisschen nichts.

Standard: Das war ja der Grund, warum Nixon schließlich einwilligte, mit ihm zu reden - weil er dachte, er würde ein leichtes Spiel mit ihm haben.

Morgan: Und vor allem, weil Frost viel zahlte, 600.000 Dollar und 20 Prozent vom Profit. Und ja, weil er die geringste intellektuelle Herausforderung verkörperte. Er war ein Außenseiter, er zählte nicht zum Establishment wie Mike Wallace oder Walter Cronkite von CBS.

Standard: Hat sich Ihre Meinung über Nixon - oder über Frost - aufgrund Ihrer Arbeit geändert?

Morgan: Meine Haltung zu Nixon hat sich nicht geändert, übrigens auch nicht zur Königin (nach The Queen). Ich war eher überrascht davon, dass die Ansichten vieler Zuschauer über die beiden positiver geworden sein sollen. Aber Frost wurde mir weniger sympathisch als Konsequenz unserer Treffen. Mit ihm zu arbeiten war sehr schwierig.

Standard: Er sollte doch froh sein über das Ergebnis.

Morgan: Er sollte, aber er ist es nicht.

Standard: Er wollte perfekter dastehen.

Morgan: Genau. Dabei war es wirklich eine riesige Wiederauferstehung seines Rufs. Ron Howard etwa, der Regisseur, der 56 ist und die damalige Zeit bereits als junger Erwachsener erlebt hat, sagt mir, dass er nun wirklich das Gefühl hatte, dass Frost Nixon bezwungen hat. Das war für ihn ein wichtiger Abschluss eines historischen Kapitels.

Standard: Und für Sie?

Morgan: Ich lebe vielleicht schon zu lange mit diesem Thema. Und es verändert sich, aus dem Stück wurde der Film, Vergangenes wird sozusagen unsterblich. Das habe ich nie erwartet, und es ist mir ein wenig unangenehm. Ich wollte nur an etwas Vergessenes erinnern, und jetzt werden die Interviews als Verkörperung eines journalistischen Triumphs und Bezwingung eines Übels verkauft.

Standard: Meinen Sie, dass die Filmleute dem Thema einen nicht passenden Spin gegeben haben?

Morgan: Das nicht. Aber etwas von der Skepsis, die ich hatte und die man auf der Bühne spüren konnte, vermisse ich jetzt. Frost hatte ja nicht wirklich gesiegt - Nixon war danach wieder der alte Uneinsichtige, der er vorher gewesen war. Im Fernsehen wurde also eigentlich eine Lüge verkauft, und das sollte auch rüberkommen. Im Film gelang das weniger als auf der Bühne.

Standard: Sollte der Film also auch eine gewisse Medienkritik vermitteln?

Morgan: Ich sehe ihn ein wenig als „Partner Piece" zu einem anderen Film, den ich als Junger sehr mochte, All the President's Men (Die Unbestechlichen). Beide handeln von der Macht und den Idealen der Reporter. In mancher Weise ist der jetzige Film ebenfalls eine Phantasie über die Möglichkeit, korrupte Politiker zur Verantwortung zu ziehen.

Standard: Die Story zwischen den beiden ist an sich schon ein Drama. Inwieweit haben Sie es noch vorangetrieben?

Morgan: Man hat einen Instinkt dafür. Schon in der TV-Sendung, die ich vor 16 Jahren gesehen hatte, als die Helfer und Mitarbeiter der beiden sich an die Begegnungen erinnerten, sprach mich das sehr an. Als ich das Stück dann schrieb, änderte ich ein paar Dinge, um die Geschichte dramatisch zuzuspitzen. Man muss immer abwägen, wie sehr man etwas ändern kann, ob Genauigkeit wichtiger ist als eine künstlerische Wahrheit. Man kann ungenau sein - zum Beispiel nur vier statt elf Interviewsitzungen, und ich stellte die große Konfrontation, das Thema Watergate, ans Ende. Das war in Wirklichkeit nicht so, aber es war immer noch wahrhaftig, und es bezog sich darauf, dass mit diesem Thema der Kampf zwischen den beiden entschieden war.

Standard: Sie vermischten Authentisches, zum Teil wörtlich Übernommenes mit erfundenen Szenen, ähnlich wie es die New Journalists tun. Wo ziehen Sie die Grenzlinien Ihrer dichterischen Freiheit?

Morgan: Dazu gibt es viele Antworten. Vor allem einmal: Wenn Sie die Original-Interviews sehen, schlafen Sie garantiert ein. Weiters stellt sich die Frage, was denn Geschichte ist, wenn nicht die Fiktion von jemand Anderem. Wir unterhalten uns hier - nachher werden wir sehr unterschiedliche Erinnerungen an dieses Gespräch haben. Sobald Sie Ihr Band redigieren, beginnen die Veränderungen. Beim Blickwinkel der Kamera ist es dasselbe, sie wird subjektiv.

Standard: Die Cinéma-Vérité-Filmer haben immerhin auf das Redigieren weitgehend verzichtet.

Morgan: Das ist schon in Ordnung. Aber es geht mir nicht um vordergründige Genauigkeit. Wäre ich ein Maler, würde ich nicht naturalistisch arbeiten, sondern gestisch, oder wie ein Kubist, der seine Sicht der Dinge, seine Gefühle darstellt. Ich weiß sehr genau, wo ich von den historischen Ereignissen abgewichen bin, aber ich bin nicht daran interessiert, sie lediglich zu reproduzieren. Ich wollte untersuchen, wie es bei Frost/Nixon um Ehrgeiz und den damit verbundenen emotionalen Schaden geht, um die dunklen Seiten von Männern, die unbedingt im Rampenlicht stehen wollten. Das geht natürlich nicht, wenn man nur eine Anatomie der Interviews produziert. Als Schreiber nahm ich mir hier die Freiheit, ein Telefongespräch dazu zu dichten, das genau von diesen Themen handelt.

Standard: Apropos Ehrgeiz, und apropos Washington im Helikopter verlassen, und die Massen freuen sich: Haben Sie Parallelen zwischen Nixon 1974 und Bush am 20. Jänner gesehen?

Morgan: Mir ist eher die Parallele aufgefallen, dass in beiden Fällen das Bedürfnis zu „heilen" da ist. Ähnlich wie Präsident Ford nach dem Abgang Nixons auf Harmonie bedacht war und Nixon begnadigt hat, wird wohl auch Obama auf Hearings über Bushs Irak-Krieg und anderes Derartiges verzichten. Bush hat Glück gehabt, dass die Menschen wegen der wirtschaftlichen Probleme weniger an den Krieg denken.

Standard: Man sagt, dass Sie bald selber Regie führen wollen.

Morgan: Das stimmt. Es wird noch einen dritten Film geben im Stil von The Queen und Frost/Nixon, den schreibe ich und führe auch Regie.

Standard: Aber das ist nicht The Damned United, oder?

Morgan: Nein, The Damned United (basierend auf dem gleichnamigen Roman von David Peace) ist schon fertig und kommt im März heraus. Da geht es um den glücklosen Fußball-Coach Brian Clough, der in den Siebzigerjahren 44 Tage lang die Mannschaft Leeds United geführt hat. Jener dritte Film wird von Tony Blair und Bill Clinton handeln; wahrscheinlich werden HBO und BBC ko-produzieren.

Standard: Noch ein Gerücht: dass Clint Eastwood Ihr Skript Hereafter verfilmen wird.

Morgan: Ja, im September wird er drehen und Regie machen. Und diesmal ist es reine Fiktion, sehr romantisch.

Standard: Das machen Sie also schon auch gerne.

Morgan: Aber ja! Ich kann es gar nicht erwarten.

(Michael Freund / Langfassung des Interviews aus DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.1.2009)