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Nahtlose Übergänge gibt es nicht, aber Zugehörigkeit von Migranten ist im Gegensatz zu Identität veränderbar, hat die Sozialanthropologin Sabine Strasser herausgefunden: In ihrer Studie begleitete sie Migranten sowohl in der Türkei als auch in Österreich

Getty Images/Sean Gallup

Am Tag der Angelobung der ersten schwarz-blauen Bundesregierung begann die Sozialanthropologin Sabine Strasser mit den Feldforschungen für ihre Habilitation. Vor dem Hintergrund eines spürbaren Rechtsrucks in Österreich untersuchte die Firnberg-Stipendiatin seitdem Lebensgeschichten, Beziehungsnetzwerke und politische Strategien der türkischen Diaspora. Das Ergebnis ist nun unter dem Titel "Bewegte Zugehörigkeiten" erschienen und zeigt bewusst Vorbilder der Integration.

Verankert in ethnografischer Forschung, hat die Innviertlerin nicht zuletzt Motivlagen dreier Migranten aufgezeichnet, die mit ihren biografischen, sozialen und politischen Erfahrungen strukturelle Ungerechtigkeiten in ihrem Herkunftsland Türkei und ihrer neuen Heimat Österreich aufzeigen, kritisieren und ausräumen.

Translokale Identität

"Die Identität wird bei Migranten oft als etwas Mitgebrachtes, Fixes wahrgenommen und Integrationsunwilligkeit unterstellt", so Strasser, die sich seit 25 Jahren mit türkischer Kultur und Sprache beschäftigt. Das von ihr verwendete Konzept der Zugehörigkeit ist im Vergleich zur Identität veränderlich und von den Betroffenen veränderbar. Die Geschichten dreier politisch aktiver und in Österreich eingebürgerter Menschen belegen, dass neue Räume und Erfahrungen sehr wohl integriert werden.

Strasser sieht in ihrer Arbeit den Versuch, "einfühlsam und detailliert den Biografien und Kontexten von drei Menschen zu folgen, die mir die Möglichkeit dazu gegeben haben". Der Gefahr eines "methodischen Nationalismus" begegnete die 46-Jährige mit einer translokalen Arbeitsweise: Vier Jahre lang begleitete sie "Erzählungen und Handlungen" ihrer drei "Forschungssubjekte" sowohl in Österreich als auch der Türkei. Darüber hinaus analysierte sie drei grenzüberschreitende und transversale Netzwerke.

Es ist kein Zufall, dass ihre Protagonisten für drei Gruppen von Migranten aus der Türkei stehen. Und zwar, vereinfacht gesagt, für die "kemalistische Bildungselite", den "bewussten Islam" und die "kurdische Diaspora". Um geschlechtsspezifische Unterschiede nicht verschwinden zu lassen, wählte sie zwei Frauen und einen Mann. Gemeinsam setzen sich Nihal O., Zeyide G. und Senol A. in ihren jeweiligen Organisationen für Integration, soziale Gleichheit und kulturelle Anerkennung von Minderheiten ein. Dass sie nicht immer an einem Strang ziehen, erklärt Strasser mit unterschiedlichen kulturellen Mustern, "die sich aus ihren sozialen, ethnischen und religiösen Einbettungen in der Türkei, den damit verbundenen Erfahrungen von Brüchen und den daraus entwickelten politischen Taktiken ergeben."

Individuelle Erfahrungen

Die Theorie der Transnationalität in der Migrationsforschung geht davon aus, dass in einer globalisierten Welt soziale und politische Verbindungen zum Herkunftsort verstärkt bestehen bleiben, wodurch Konzepte der nationalen Zugehörigkeit zur Diskussion stehen. Weil Strasser mit Migranten und nicht nur über sie spricht, bietet das Buch verdichtete individuelle Erfahrungen, wobei die Biografien in zeithistorische Begebenheiten hier und dort eingeordnet werden. Durch die Analyse werden Argumente, Strategien und Ziele der Beteiligten im Integrationsdiskurs letztlich verständlicher.

"Es ist wesentlich leichter, über Transnationalismus zu forschen, als selbst ein solches Leben zu führen", weiß Strasser heute. Als Associate Professor für Soziologie am Campus der Middle East Technical University pendelt sie zwischen Ankara und Wien, lebt aber durch die Errungenschaften der IT an beiden Orten gleichzeitig. Eine so "bewegte Zugehörigkeit" hat sie für sich im Februar 2000 noch nicht vorhergesehen. (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Printausgabe, 28.1.2009)