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Zur Person:
David Fincher, geboren 1962 in Denver, Colorado. Drehte zunächst Werbespots und Videoclips. Debütierte 1992 als Spielfilmregisseur mit "Alien 3" , bereits sein zweiter Kinofilm "Se7en" , ein düsterer Serienmörderthriller mit Brad Pitt, etablierte ihn international. Es folgten "Fight Club" (1999, ebenfalls mit Pitt) oder zuletzt "Zodiac" (2007).

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Standard: Mr. Fincher, während der Vorbereitungen zu "Der seltsame Fall des Benjamin Button" ist Ihr Vater gestorben. Hatte das Auswirkungen auf Ihre Konzeption?

Fincher: Mein Vater hatte sehr romantische Ideen über New York in den Neunzehnvierzigern und Paris in den Fünfzigern. Das ist in den Film eingegangen. Wenn du in ein Alter kommst, in dem Menschen aus deiner Familie und Freunde zu sterben beginnen, denkst du anders über das Leben nach. Ich wollte über Liebe und Treue sprechen.

Standard: Wie geht man an einen Film heran, der auf einer etwas seltsamen Idee beruht? Ein Mann wird als steinaltes Baby geboren und wächst dann in einem immer jünger werdenden Körper heran. Sucht man zuerst einen Darsteller dafür?

Fincher: Ich bin mir sicher, dass Brad (Pitt) diese Rolle schon mehrmals angeboten bekommen hat. Es gab ja schon 1992 erste Fassungen des Drehbuchs. Er bekommt alles angeboten. Das Gespräch, das ich mit ihm führte, war dann das erste, bei dem ich das Gefühl hatte, die Sache ließe sich knacken. Brad Pitt als Jedermann, das scheint seltsam. Aber es hat viel mit seinem Familienleben zu tun. Er fühlt sich zum ersten Mal wohl darin, ein Filmstar zu sein. Er genießt das. Mir war das vorher nicht bewusst, dass er so einfach sein konnte. Das ist das Schwierigste, was man von Schauspielern verlangen kann. Die Figur hat ja keinen Hintergrund. Es gibt keine Hinweise, aus denen man sie entwickeln konnte. Niemand spricht über Benjamin im Film.

Standard: Im Grunde ist der Film eine Meditation über unmögliche Liebe. Man trifft einander für einen Moment, gleitet aber am geliebten Menschen vorbei.

Fincher: Ich habe nichts gegen Romeo und Julia, aber mich langweilt diese Idee der Unbedingtheit: Ich kann ohne dich nicht leben. Du vervollständigst mich. Hier haben wir zwei Menschen, die mit ihrem Leben einfach weitermachen müssen, wenn der andere nicht da ist. Das gibt vom Standpunkt der Konstruktion viele gute Chancen, sich etwas auszudenken, was sie getrennt hält.

Standard: Sie haben dabei die Pointe der Vorlage, einer Geschichte von F. Scott Fitzgerald, verändert, weil bei Ihnen das alte Baby nicht das Bewusstsein eines alten Mannes hat.

Fincher: Vielleicht ist unser Zugang oberflächlicher, aber er läuft auf die aus heutiger Sicht beste aller möglichen Welten hinaus: Ein Mann in der Fülle seiner Lebenserfahrung bekommt allmählich einen perfekten Körper. Wir zeigen, wie verwirrend das eigentlich ist.

Standard: Sie sprechen gelegentlich davon, dass Glück eine wichtige Rolle beim Filmemachen spielt. Wo hatten Sie dieses Mal Glück?

Fincher: Nur ein Beispiel: Wir haben Cate Blanchett, die sich wirklich nicht leicht gewinnen lässt. Wir brauchten sie für sieben Monate, also für eine sehr lange Zeit in diesem Geschäft. Sie war interessiert, und es dauerte schließlich sieben Jahre, in denen sie sich zur Verfügung hielt.

Standard: Viele Fans Ihrer Thriller wie "Fight Club" oder "Panic Room" werden überrascht sein, dass Sie so deutlich das Fach wechseln.

Fincher: Ja, dieser Film ist anders. Er hat sardonischen Humor. Das Schöne war, dass es keine tickende Uhr gibt. Zodiac war schon ein anderer Fall, das Ende der Geschichte scheint sich da ständig am Horizont zu verlieren, die Leute sammeln alle diese Indizien zu den Mordfällen, aber diese fügen sich nicht zusammen. Panic Room hatte immer dieses absehbare Ende am Morgen. Hier haben wir ein ganzes Leben, von dem klar ist, dass es zum körperlichen Anfang zurück muss. Wenn wir jemanden treffen, der 55 ist, kann dieser Mensch noch dreißig Jahre oder noch fünf leben. Hier gibt es dieses ständige Bewusstsein für die Zeit, die noch bleibt.

(Bert Rebhandl, DER STANDARD/Printausgabe, 27.01.2008)