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Auf dem Murillo-Platz in La Paz wurde das Ergebnis gefeiert.

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La Paz/Mexiko-Stadt - Sollte es ein Sieg werden, fällt er viel knapper aus, als Evo Morales und seine Anhänger es sich dachten. Der Ausgang des Referendums über die neue bolivianische Verfassung war am Montag lange offen, Nachwahlbefragungen ließen an 60 Prozent Zustimmung glauben, doch bei der Auszählung kippte die Mehrheit langsam wieder.

411 Artikel hat die neue Verfassung, die ein zentrales Wahlversprechen des seit drei Jahren amtierenden, ersten indigenen Staatschefs des Andenlandes ist. Die ursprünglich sozialistisch-staatswirtschaftliche Regierungsvorlage war im Oktober im Parlament als Zugeständnis an die Opposition deutlich verwässert worden.

Dennoch bringt die Verfassung einige Neuheiten wie etwa die Anerkennung Boliviens als multiethnischer, plurinationaler Staat, die Abschaffung des Katholizismus als Staatsreligion - weshalb die Kirche sich kritisch geäußert hatte - sowie regionale Autonomiestatute, die von den oppositionellen Präfekten gefordert worden waren. Der Staatschef kann künftig nur noch einmal wiedergewählt werden, der Staat wird eine größere Rolle in der Wirtschaft spielen, und Großgrundbesitz über 5000 Hektar wird verboten; die rechtsstehende Opposition hatte erreicht, dass dies zumindest für produktive Ländereien nicht rückwirkend gilt.

Provinzen geteilt

In vier der neun Provinzen - in Tarija, Beni, Pando und im Wirtschaftszentrum Boliviens, Santa Cruz - stimmten die Bürger deutlich gegen die Verfassung. In Chuquisaca lag das "Nein" knapp vorne. Der Wahltag war weitgehend ruhig verlaufen.

Es ist ein weiterer Sieg für Morales, der erst vor einem halben Jahr in einem von der Opposition angestrengten Abberufungsreferendum von 67 Prozent der Bevölkerung im Amt bestätigt worden war. Morales feierte am Abend im Präsidentenpalast vor Tausenden von begeisterten Anhängern die "Neugründung Boliviens mit gleichen Chancen für alle Bürger". "Der Kolonialstaat, der Neoliberalismus und der Großgrundbesitz wurden vom Volk begraben" , sagte er.

Dass dieses Ergebnis zu einer Befriedung Boliviens beiträgt, ist dennoch nicht zu erwarten. Die Opposition in den Provinzen sah sich dadurch ebenfalls bestätigt und forderte Morales zu einem nationalen Pakt auf, um die Spaltung Boliviens zu verhindern. "Hunderttausende Bolivianer lehnen dieses illegale Projekt ab, das Bolivien spalten will" , sagt der Präfekt von Santa Cruz, Ruben Costas, vor einer jubelnden Menge.

Der Präfekt von Tarija, Mario Cossio, forderte die Regierung auf, den verfassungsgebenden Prozess nochmals von vorne zu beginnen. Die Gouverneurin von Chuquisaca, Sabina Cuéllar, rief sogar dazu auf, die Verfassung in ihrer Provinz nicht umzusetzen. Im Dezember steht im südamerikanischen Armenhaus bereits die nächste politische Schlacht bevor: allgemeine Neuwahlen unter der neuen Verfassung. (Sandra Weiss/DER STANDARD, Printausgabe, 27.1.2009)