Ein Stiefkind Roms war Lampedusa schon immer. Das Königreich Italien nutzte das felsige Eiland als Verbannungsort für Anarchisten. Benito Mussolini ließ 3000 Regimegegner auf die ferne Insel deportieren. Jetzt wird der südlichste Punkt der Republik unversehens zum Prüfstein italienischer Politik.

Eine „rigorose Einwanderungspolitik" hatte die Regierung Berlusconi unmittelbar nach ihrer Wahl versprochen. Der Flüchtlingsstrom auf der Insel werde „in wenigen Monaten zum Erliegen kommen." Das genaue Gegenteil war der Fall: Mit 37.000 Migranten kamen 2008 doppelt so viele Flüchtlinge wie im Jahr zuvor. Lampedusa entwickelt sich für die Regierung Berlusconi immer mehr zum Bumerang.

Innenminister Roberto Maroni, der vollmundig erklärt hatte, im Jahr 2009 werde „kein einziger Migrant mehr auf Lampedusa landen", gerät politisch zunehmend unter Druck. Hatte der Lega-Politiker erst vor drei Wochen versichert, „kein einziger Flüchtling werde mehr von Lampedusa aufs Festland verlegt", mussten am Wochenende weitere 400 Migranten nach Bari ausgeflogen werden, um das Lager der Insel zu entlasten.

EU-Justizkommissar Jacques Barrot will demnächst auf Lampedusa nach dem Rechten sehen. Was der Franzose dort zu sehen bekommt, ist nicht nur ein Musterbeispiel für das Versagen italienischer Politik. Es demonstriert augenfällig, wie gefährlich es sein kann, brisante Themen wie Immigration zum populistischen Wahlkampthema zu degradieren. (Gerhard Mumelter, DER STANDARD, Printausgabe, 26.1.2009)