STANDARD: Herr Landespolizeikommandant, fühlen Sie sich in Wien eigentlich sicher?

Mahrer: Ich fühle mich in Wien sehr sicher, weil ich Informationen über die Kriminalitätslage habe. Ich möchte diese Information auch an die Bürger bringen und werde jetzt in allen Bezirken Bürgerdiskussionen veranstalten.

STANDARD: Nun können die Bürger argumentieren, dass im Vorjahr täglich 584 Delikte begangen worden sind, der Frau Innenministerin die Handtasche gestohlen worden ist. Sehen Sie ein, dass die Bürger ein Unsicherheitsgefühl haben?

Mahrer: Natürlich muss man Gefühle ernst nehmen, aber man muss auch aufklären, wie man Kriminalität vermeiden kann - etwa indem man Taschendieben nicht das Geldbörsel in der offenen Handtasche präsentiert. Man kann nicht nur über Polizeistreifen zum Erfolg kommen.

STANDARD: Wenn nicht nur Streifen zum Erfolg führen - heißt das, Sie wollen nicht mehr Polizisten?

Mahrer: Nein. Aber genauso wichtig wie die Zusammenarbeit mit den Bürgern ist das Streifensystem. Heuer soll das neu geordnet werden.

STANDARD: Was bedeutet das?

Mahrer: Das bedeutet, dass wir an neuralgischen Punkten wie U-Bahn-Stationen oder an Orten, wo wir durch die Analyse wissen, dass es dort vermehrt Kriminalität gibt, die Streifen intensivieren werden. Das bedeutet jetzt nicht, dass an jeder Ecke ein Polizist steht, sondern dass er intelligent eingesetzt wird. Auch die Planquadrate sollen neu organisiert und das Fahndungssystem modernisiert werden.

STANDARD: Wollen Sie nun mehr Polizisten?

Mahrer: Diese Reorganisation geht natürlich nur mit mehr Personal. Ab Sommer 2009 werden über 260 neu ausgebildete Polizisten dazukommen. Das wird man dann schon deutlich auf den Straßen merken.

STANDARD: Es gibt in Abteilungen aber Planstellen, die gar nicht besetzt sind - zum Beispiel weil die Beamten dem Innenministerium oder der Cobra zugeteilt sind. Und es so weniger Polizisten gibt, als auf dem Papier steht. Ist das so?

Mahrer: Das ist eine personaltechnische Eigenheit. Polizeischüler müssen eine Planstelle haben, um besoldet werden zu können. Derzeit haben wir rund 400 Polizisten in Ausbildung, die eben nicht in den Polizeiinspektionen sind. Andere Beamte werden in speziellen Gruppen eingesetzt. Das war aber schon immer so.

STANDARD: Kann man das konkretisieren? Wie viele Planstellen gibt es bei der Wiener Polizei und wie viele Beamte?

Mahrer: Die Differenz zwischen Soll- und Iststand ergibt derzeit rund 700 Beamte. In dieser Zahl sind aber auch etwa 130 karenzierte Beamte drin. Aber ich will die Situation nicht schönreden: Wien braucht mehr Personal.

STANDARD: Viele Polizisten aus den Bundesländern wollen vom Dienstort Wien weg.

Mahrer: Derzeit haben wir 500 Polizisten, die den Wunsch haben, wieder in ihr Bundesland zurückzukehren. Das hat mit der Arbeitsbelastung zu tun, aber vor allem mit ihrer privaten Situation, da sie ihren Wohnsitz dort haben. Wir freuen uns über jeden Kollegen, aber dann sollten sie, ja müssen sie ihren Wohnsitz in Wien wählen.

STANDARD: Der Fall ihres Amtsvorgängers, Roland Horngacher, hat den Wiener Polizeiskandal ausgelöst. Glauben Sie, dass Ruhe ist oder dass noch etwas nachkommt?

Mahrer: Die Wiener Polizei hat in den vergangenen Jahren schwierige Zeiten durchgemacht. Es ist uns gerade im Jahr 2008 gelungen, für Beruhigung innerhalb der Polizei zu sorgen. Man kann nicht ausschließen, dass Einzelfälle von ,problematischem Verhalten' in einer Organisation von 6000 Mitarbeitern vorkommen. Aber man muss sich jedem Vorwurf stellen, ihn überprüfen und dann die entsprechenden Konsequenzen ziehen.

STANDARD: Nun haben Sie gesagt, dass sich die Lage im Vorjahr beruhigt hat. Allerdings ist ein ranghoher Kriminalbeamter suspendiert worden, weil er in einem Fachmagazin einen kritischen Artikel geschrieben hat. Ist das nicht eine Art Zensur? Sobald ich sage, irgendwas ist meiner Meinung nach nicht in Ordnung, werde ich suspendiert?

Mahrer: Kritik in einem Unternehmen hat sachlich zu erfolgen und vorrangig innerhalb des Unternehmens. Aber eine Kritik, die nur extern und teilweise beleidigend vorgebracht wird, kann sich ein Unternehmen nicht leisten.

STANDARD: Aber ist es nicht ein Wesenszug der Demokratie, dass vermeintliche Missstände nicht nur intern besprochen, sondern auch extern bekanntgemacht werden?

Mahrer: Kein Unternehmen wird es zulassen, dass das Unternehmen durch Aussagen beschädigt wird. (Michael Möseneder/DER STANDARD-Printausgabe, 24.1.2009)