Hans Veigls Porträtsammlung von Austro-Exzentrikern bleibt leider mehr als nur eine Antwort schuldig.

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Exzentriker? Da denkt man unwillkürlich an England - nicht ohne Grund, hat doch Edith Sitwell, selbst eine Exzentrikerin von hohen Graden, diesem Typus in ihrem höchst pittoresken Buch Englische Exzentriker ein Denkmal errichtet. Woher rührt das Verlangen, anders zu sein, die normierten Bahnen gesitteten Verhaltens zu verlassen? Der britische Neurophysiologe David Weeks, der viele Jahre der Erforschung von Exzentrikern gewidmet hat, führt dies auf den sozialen Standeskonformismus des Inselreiches zurück. "Meine Erklärung", schrieb er, "warum englische Exzentriker hier so wichtig genommen werden, ist, dass die britische Gesellschaft bis heute viel rigider in Klassen strukturiert ist als anderswo. Es ist fast unmöglich, auch wenn man zu Geld kommt, die Klasse, in der man aufwuchs, zu wechseln. Natürlich braucht man zur Exzentrik auch etwas Geld, Zeit und Muße. Wer ums nackte Überleben kämpfen muss, kann es sich vermutlich nicht leisten, exzentrisch zu sein." Auch Sitwell rekrutierte ihren Exzentrikerreigen aus den höheren Ständen.

Auch andere Länder brachten prächtige Exzentriker hervor, die USA etwa den Milliardär Howard Hughes (1905-1976), der sich mit Mitte 50 vollständig aus der Öffentlichkeit zurückzog. Wollten ihn Besucher in seiner Villa in Nevada besuchen, mussten sie sich zuerst in einem Quadrat aufstellen, das vor dem Eingang mit Kreide aufs Pflaster aufgezeichnet war. Die letzten zehn Lebensjahre soll sich Hughes ausschließlich von Speiseeis ernährt haben und einmal einen Film 150-mal hintereinander angeschaut haben. Gesichert ist ein Satz von ihm: "Ich möchte unauffällig sein" , gestand er einmal.

Gleiches galt für jene Exzentriker in und aus Wien, die der in Graz lebende Kulturhistoriker Hans Veigl als Kuriositätenkabinett porträtiert. Völlig und nahezu spurlos vergessene Gestalten der Kultur-, Literatur-, Kabarett- und Kaffeehausgeschichte finden sich hier, der barocke Literat Johann Valentin Neiner ebenso wie der berüchtigt talentfreie, dafür umso opportunistischere Odendichter Lorenz Leopold Haschka, der Bierwirt und Bibliophile Franz Haydinger, der Kaffeesieder Ludwig Riedl, der Hellseher Erik Jan Hanussen und Paul Wittgenstein, enger Freund Thomas Bernhards.

Alles Exzentriker? Ist jeder Einzelgänger ein Exzentriker, jeder Exzentriker automatisch ein Sonderling? Und ein Sonderling zugleich eine verschrobene, buchstäblich ex-zentrische, aus dem sozialen Zentrum verschobene Existenz? Veigl weicht in seiner knappen Einleitung einer präzisen Bestimmung aus und verzichtet fatalerweise auch auf ein Fazit. Zu wenig prägnant werden, obwohl Veigl lebendig und pointiert formuliert, die einzelnen Charaktere, manche gehen fast zur Gänze in der Schilderung ihrer Umgebung auf. Und der Untertitel erweist sich bei so manchem angeblichen "Exzentriker" als nicht nur unpassend, sondern als falsch. Vielleicht ahnte der Böhlau-Verlag dieses Dilemma und setzte deshalb präventiv die Karikatur des einzigen Menschen, auf den in diesem Buch das Rubrum ‚Exzentriker‘ tatsächlich zutrifft, auf den Umschlag. Nämlich auf die in den 1920ern und 1930ern berüchtigte Varietéselbstdarstellerin Beatrice Reichsgräfin Triangi, geborene Samek, von der man gerne mehr gelesen hätte. Ihr Ende war alles andere als exzentrisch. 1940 wurde sie von der Gestapo arretiert, danach schwer krank ins Rudolfsspital eingeliefert. Am 28. April jenes Jahres starb sie in der Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof, wo sie wohl Opfer des Euthanasieprogramms wurde. (Alexander Kluy, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 24./25.01.2009)