Alles ablegen, bitte: Beim BMW Z1 ließ sich seinerzeit (1989-91) die komplette (Kunststoff-) Karosserie abmontieren. Hauptaspekt für den Einsatz von Kunststoffen im Auto-mobil heute: Leichtbau.

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Denkt man über die Anwendung von Kunststoffen nach, fällt einem als Erstes der alte Renault Espace ein. Seine Kunststoffkarosserie brachte allerdings keine nennenswerte Gewichtseinsparung, weil die aus Festigkeitsgründen notwendige Stahlstruktur darunter alle Gewichtsvorteile eliminierte.

Das eigentliche Motiv lag in der Serienfertigung. Er war bekanntlich der erste Minivan auf dem europäischen Markt. Renault konnte für seine Pionierleistung sehr schwer einschätzen, wie das neue Fahrzeugkonzept von den Kunden angenommen würde. Man war jedenfalls nicht grenzenlos optimistisch und entschied sich für die Kunststoffkarosserie, weil damit auch kleinere Serien kostengünstig realisiert werden konnten. Als das Konzept Minivan aus der Nische heraustrat und zu einem bedeutenden Bestandteil der Modellpolitik wurde, stellte man auch wieder auf Stahlbauweise um.

Mittlerweile geht die Autoindustrie ganz anders an das Thema Kunststoff heran. Seit Anfang der Achtzigerjahre steigt der Anteil an Kunststoffen stetig. Im Außenbereich waren es zuerst vorwiegend die Stoßfänger, wo Kunststoff Stahl ersetzte. Heute finden wir Kunststoffe, wo wir sie gar nicht vermuten würden, etwa im Dachbereich, an Kotflügeln und Klappen. Ein Kunststoffdach spart dort Gewicht, wo es am meisten weh tut, nämlich hoch oben, wo es den Schwerpunkt in die Höhe treibt. Zur Luftwiderstandsverringerung wird auch immer öfter der Fahrzeugboden mit Kunststoff verkleidet.

Besonders viel wird in die Erforschung von Kunststoffen investiert, wenn es um die Auskleidung des Innenraumes geht. Die Materialien sollen ja nicht nur zweckmäßig, sondern auch sympathisch sein, sich gut anfühlen und vor allem nicht schlecht riechen. Bei Armaturenbrettern ist es inzwischen möglich, die Oberfläche weich zu gestalten, während das tragende Element darunter sehr hart und steif ist. Die chemische Zusammensetzung der beiden Materialien ist aber so weit ähnlich, dass das Teil im Ganzen wieder recycliert werden kann.

Klar, ein Bentley-Interieur (oben) kriegt man mit Kunststoff allein nicht hin. Kia Soul (unten) zeigt aber, wie hübsch es sich heute sparen lässt.
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Von Flachs bis Nano

Im Bereich von Türverkleidungen, Hutablagen etc. werden auch immer öfter natürliche Materialien verwendet, etwa Baumwolle, Flachs oder Sisal. Auch von Nanotechnologie ist oft die Rede. Das klingt sehr nach Zukunft, ist aber ein Gebiet, an dem schon lange geforscht wird und wo es auch schon zahlreiche praktische Anwendungen gibt, etwa schmutz- und wasserabweisende und beschlagresistente oder nicht reflektierende Oberflächen. Man ist halt noch nicht so weit, dass man sich durch entsprechende Beschichtung der Windschutzscheibe gleich den Scheibenwischer ersparen kann.

Mit steigendem Kunststoffanteil darf auch das Thema Recycling nicht aus den Augen verloren werden. Die Trennung der Werkstoffe muss vor allem beim Verbund mit Stahl oder Aluminium wieder leicht möglich sein. Aber auch im Falle einer Reparatur müssen Klebeverbindungen wieder gelöst werden können, ohne die Bauteile gänzlich zu zerstören. Auch hier hilft Nanotechnologie mit sogenannten schaltbaren Klebeverbindungen weiter, die mithilfe von Mikrowellen oder Laser aktiviert und deaktiviert werden können.

Da Kunststoffe meist auch eine Gewichtsersparnis bringen, wirken sie sich üblicherweise günstig auf die Energiebilanz aus, auch wenn bei der Herstellung unter Umständen mehr Energie notwendig ist als bei herkömmlichen Bauteilen. Da Erdöl der Grundstoff für alle Kunststoffe ist, ist auch die Endlichkeit der Ressourcen ein Thema. Allerdings: 90 Prozent des Erdöls wird noch immer verbrannt. Nur vier Prozent gehen in die Erzeugung von Kunststoffen. Außerdem, was man gern übersieht: Auch die Vorräte an sehr häufig verwendeten Metallen sind endlich. Bei Blei, Silber oder Zinn etwa bleiben uns nur mehr 30 Jahre. (Rudolf Skarics/DER STANDARD/Automobil/23.01.2009)