Wien/Ohlsdorf - Überall dort, wo Thomas Bernhards Literatur erfolgreich Wurzeln schlägt, ruft sie sogleich merkwürdig enthusiastische Reaktionen hervor: Die Werke des 1989 verstorbenen Übertreibungskünstlers wurden in mittlerweile 45 Sprachen übersetzt.

Die Lust an der barocken Wirklichkeitsüberbietung scheint auch kein ernsthaftes Rezeptionshindernis in "entlegeneren" Weltgegenden. In einem spanischen Dorf geben in der Wolle gefärbte Bernhard-Fanatiker eine eigene Zeitschrift heraus (La linea). Erste Übersetzungen ins Japanische wurden übrigens aus dem Französischen angefertigt, mit strikter Betonung des autobiografischen Gehalts. Aus Osaka wird die Existenz eines eigenen Bernhard-Forschungskreises berichtet.

In Norwegen wiederum firmiert Bernhard als "Kultautor", wo er als ermunternde "Identifikationsfigur für Schreibende" fungiere - ein Blick auf die Dichtungen des Dramatikers Jon Fosse bestätigt diesen wissenschaftlichen Befund aufs Wiederholungswort. Schwächere, wiewohl umso enthusiastischere Empfangssignale werden aus dem Osten Europas, etwa aus Rumänien und der Ukraine, gemeldet.

Allerorts der "Theatermacher"

Ein Buch wie "Meine Preise" geht, kaum dass es veröffentlicht wurde, bereits in die dritte Auflage. Zwar gibt der Suhrkamp-Verlag keine Zahlen bekannt, doch lässt ein solcher Befund auf vorerst über 100.000 verkaufte Exemplare schließen. Manche schlürfen ihren Bernhard lieber sentenzenweise: Neben den ehrfurchtgebietenden Bänden der sukzessive erscheinenden Werkausgabe macht sich ein Hang zum Brevier bemerkbar. Als handelte es sich um Gedichtbüchlein von Brecht, kann man sich kleinformatige Satzsammlungen bequem in die Sakkotasche schieben. Alles ist lächerlich: Acht philosophische Mauerhaken heißt ein solches Trosttaschenbuch, in dem man ausgesuchte Stellen über Goethes Tod oder Redefetzen aus dem Stück Die Jagdgesellschaft probeweise beschnuppern kann.

Aktuell werden aus dem deutschen Sprachraum 22 laufende oder anstehende Bernhard-Theaterproduktionen gemeldet. Die Aufhebung der Aufführungssperre durch die Privatstiftung 1999 macht nicht nur österreichische Aufführungen möglich, sondern führt den Tourneepotentaten Bruscon (Der Theatermacher) mittlerweile an das Rheinische Landestheater Neuss oder in das schmucke Schlosstheater Celle. Die Hitparade: Auf sechs Theatermacher folgen dreimal Der Ignorant und der Wahnsinnige und zweimal Die Macht der Gewohnheit. (Ronald Pohl / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.1.2009)