Washington/Wien  - Nur zwei Tage nach seiner Amtsübernahme hat US-Präsident Barack Obama eines seiner Hauptwahlversprechen eingelöst und damit eine Kehrtwende in der Anti-Terror-Politik seines Landes vollzogen: Obama ordnete am Donnerstag die Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo spätestens in einem Jahr an, außerdem untersagte er die Anwendung aggressiver Methoden beim Verhör von Terrorverdächtigen. Mit sofortiger Wirkung befahl Obama die Schließung aller CIA-Geheimgefängnisse.

Mit der Unterzeichnung der insgesamt vier Dekrete zur Anti-Terror-Politik richte er "eine Botschaft an die Welt", sagte Obama. "Die USA werden den Kampf gegen Gewalt und Terrorismus weiter verfolgen", betonte er. Dabei würden sie aber in einer Weise vorgehen, "die unsere Werte und unsere Ideale achtet". Durch Obamas Präsidentenerlasse sind US-Ermittler künftig ausdrücklich verpflichtet, sich an die Regeln der Genfer Konventionen zu halten.

Was geschieht mit den Insassen?

Das Schicksal der in Guantanamo verbliebenen Insassen ist durch Obamas Erlass noch nicht endgültig geklärt. In einem ersten Schritt solle geprüft werden, ob die Insassen in Drittländer abgeschoben werden können, heißt es in dem von Obama unterzeichneten Dekret. Sollte dies nicht möglich sein, solle die Möglichkeit der weiteren Inhaftierung und Strafverfolgung geprüft werden. Das Lager solle in spätestens einem Jahr geschlossen sein.

Obamas Anordnung erlaubt in US-Einrichtungen weltweit ausschließlich jene Verhörmethoden, die im Handbuch der US-Armee niedergeschrieben sind. Eine aktualisierte Fassung des Handbuchs aus dem Jahr 2006 verbietet ausdrücklich umstrittene Befragungstechniken wie Schläge, Einschüchterung mit Hunden sowie "Waterboarding", bei dem das Ertrinken simuliert wird.

Der US-Geheimdienst CIA hatte nach eigenen Angaben vom vergangenen Jahr bei Verhören von Terrorverdächtigen auf "Waterboarding" zurückgegriffen. Den umstrittenen CIA-Geheimgefängnissen im Ausland bereitete Obama ein Ende: Mit seinem Erlass befahl er der CIA, "alle existierenden Hafteinrichtungen zu schließen". Er verbot dem Dienst ausdrücklich, in Zukunft solche Einrichtungen zu betreiben.

Terrorismus-Verfahren gestoppt

Nur Stunden nach seiner Vereidigung am Dienstag hatte Obama die Chefankläger des Verteidigungsministeriums angewiesen, bei den Militärrichtern in Guantánamo einen vorläufigen Stopp sämtlicher Terrorismus-Verfahren zu beantragen. Die Verfahren vor den Militärkommissionen sollen zunächst für 120 Tage ausgesetzt werden. In der Zwischenzeit will Obama prüfen lassen, ob das umstrittene System der Sondergerichte vollständig abgeschafft und wie angeklagten mutmaßlichen Terroristen dann der Prozess gemacht werden soll. Mehrere Verfahren wurden bereits am Mittwoch auf Eis gelegt, darunter das gegen fünf mutmaßliche Hintermänner der Anschläge vom 11. September 2001.

Auch der designierte Chefkoordinator aller US-Geheimdienste, Dennis Blair, sprach sich am Donnerstag strikt gegen Folter aus. "Folter ist nicht moralisch, ist nicht legal und ist nicht effektiv", sagte er in einer Anhörung vor dem Senat. Die bisherige Regierung von Präsident George W. Bush sah sich wegen der Autorisierung harscher Verhörmethoden dem Vorwurf der Folter ausgesetzt. Guantánamo gilt als Symbol für die Missachtung der Menschenrechte unter der Regierung des Republikaners Bush. Viele der zurzeit noch 245 Gefangenen sitzen dort schon seit sieben Jahren ein, ohne dass jemals Anklage gegen sie erhoben wurde.

Faymann: Keine Anfrage aus den USA

UNO-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay begrüßte das Guantanamo-Dekret und forderte, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die für Folter und ungesetzliche Verhörmethoden verantwortlich gewesen seien. Der UNO-Berichterstatter für Folter, der Österreicher Manfred Nowak, riet am Donnerstag "allen Ländern der Welt", ehemalige Guantánamo-Häftlinge aufzunehmen. Diese Frage ist in der EU allerdings umstritten. Regierungsvertreter von Deutschland, Finnland, Irland, Portugal, Schweden, Großbritannien und der Schweiz haben sich grundsätzlich für eine Aufnahme von Gefangenen ausgesprochen. Österreich ist dazu bis dato nicht bereit. Es sei auch keine Anfrage von den USA gekommen, meinte Bundeskanzler Werner Faymann  am Donnerstag.

Die US-Regierung sucht schon seit geraumer Zeit Aufnahmeländer für rund 50 Gefangene, die freigelassen werden sollen, denen aber in ihrer Heimat Folter drohen würde. Menschenrechtsorganisationen aus Europa und den USA riefen die Außenminister der EU auf, bei ihrem Treffen am kommenden Montag in Brüssel die Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen aus humanitären Gründen zu beschließen. Eine entsprechende Bitte richteten Amnesty International, Human Rights Watch und die Internationale Liga für Menschenrechte am Donnerstag an die EU-Staaten.

Bereits am Vorabend hatte Obama die Armeeführung angewiesen, Pläne zum Rückzug der US-Kampftruppen aus dem Irak auszuarbeiten. Der Abzug solle "verantwortungsvoll" verlaufen, die derzeit etwa 142.000 US-Soldaten sollten durch irakische Truppen ersetzt werden. Der geplante Zeitrahmen dafür ist nicht bekannt. Im Wahlkampf hatte Obama einen Abzug binnen 16 Monaten gefordert. Anders als sein Vorgänger Bush sieht Obama den Irak-Einsatz ausdrücklich nicht als Teil der Kampfs gegen den Terrorismus. (APA/dpa/Reuters)