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Winters Aussagen bezeichnet ihr Verteidiger als "verkürzte Darstellung von historischen Tatsachen".

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Graz - Schon eine halbe Stunde vor Prozessbeginn am Donnerstagmorgen warten Zuhörer vor dem Saal 201 im Grazer Straflandesgericht. Auch der Sohn der Angeklagten, der 20-jährige Michael Winter, ist unter ihnen. Er ist bereits rechtskräftig verurteilt, weil er dem Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (VP) per Aussendung empfohlen hatte, er möge "als Sofortmaßnahme gegen muslimisch-türkische Vergewaltigungen eine Schafherde im Stadtpark grasen lassen" . Nun wartet der Jus-Student auf den Prozess gegen seine Mutter wegen des Verdachts auf Herabwürdigung religiöser Lehren und Verhetzung. Am 13. Jänner 2008 hatte Susanne Winter als Spitzenkandidatin im Grazer Gemeinderatswahlkampf den Propheten Mohammed als "Kinderschänder" bezeichnet, der den Koran "im Rahmen von epileptischen Anfällen geschrieben" habe.

Ein älterer Herr gesellt sich freundlich zu Michael Winter und äußert sein Bedauern darüber, dass dieser als Obmann des steirischen Rings Freiheitlicher Jugend zurücktrat. Er habe es ja müssen, meint darauf Winter. Doch sein Gesprächspartner findet, der junge Mann hätte "kämpfen müssen" . Nachsatz: "Aber was sind das für Zeiten, jetzt ist sogar ein Neger Präsident in Amerika!"

Wenig später öffnen sich die Saaltüren. Susanne Winter bringt eine weiße Lilie mit. Dass ihr Vorname auf Hebräisch Lilie bedeutet, ist dafür nicht der Grund. Die Blume sei ein "Zeichen der Unschuld" , erklärt sie Journalisten.
Unschuld, Arglosigkeit sowie "absolute" Verblüfftheit über die Reaktionen auf ihren Sager bei jenem Neujahrstreffen der FPÖ 2008 sind auch ihre Argumentationslinie während des Verfahrens. "Ich bin ganz sicher nicht davon ausgegangen, dass das eine Beleidigung für irgendwen ist" , versichert sie Richter Christoph Lichtenberg. Überhaupt habe sie mit integrierten Muslimen kein Problem, nur mit dem "Radikal-Islam" , betont Susanne Winter. Doch in ihrer gesamten Rede, die Staatsanwalt Wolfgang Redtenbacher auch als Video einspielen lässt, erwähnt Winter nie radikale Islamisten.

"Militärische Diktion"

Vielmehr sprach Winter in der Schwarzl-Halle in Unterpremstätten bei Graz von "schleichender Islamisierung" sowie einem "Einwanderungs-Tsunami" und forderte, dass man "den Islam" jenseits des Mittelmeers "zurückwerfen" solle. Es sind diese Aussagen, mit denen der Richter später den Schuldspruch wegen Verhetzung untermauern wird. Winter habe eine "militärische Diktion" verwendet und gegen Leute "allein wegen ihrer Zugehörigkeit Hass geschürt" . Dass sie nicht alle Muslime gemeint haben will, lässt der Richter nicht gelten.

Denn in besagter Rede stellt sie es als Tatsache hin, "dass Integration gescheitert" sei. "Wen wollen Sie dann eigentlich nicht zurückschicken?" , fragt der Richter. Während der Anwalt Winters ihre Verteidigung auf "Meinungsfreiheit" aufbaut, unterwandert seine Mandantin diese Strategie konsequent.

Einerseits habe sie alles nicht so gemeint, und es seien für einen Wahlkampf typische "verkürzte Botschaften" gewesen. Andererseits "wollte ich auf Missstände in der Gesellschaft und historische Wahrheiten hinweisen" . Sie habe ja nur gegen Zwangsehen, vor allem bei Kindern, auftreten wollen, nicht Muslime beleidigen.

"Und warum sagen Sie das dann nicht einfach?" , will der Richter wissen. "Immerhin gehören sie zur Bildungselite, Sie haben studiert!" Und: "Sind Zwangsehen mit Kindern denn ein brennendes Problem in Graz?" Als die Angeklagte Epilepsie als oft zitierte "Heiligenkrankheit" ins Treffen führt, die sie "überhaupt nicht negativ bewerten" wollte, wird der ansonsten sehr höfliche Vorsitzende ungeduldig: "Sie wollen mir jetzt nicht einreden, dass Sie das als Verehrung gemeint haben?" Zudem hält Lichtenberg zu "historischen Wahrheiten" fest, dass "man während einem epileptischen Anfall nichts schreiben kann!"

Vom Vorwurf, Winter habe im Sinne ihres Sohnes bei einer Schuldiskussion gefordert, "im Stadtpark ein Tierbordell zu errichten" , wurde die Politikerin freigesprochen. Die Zeugen machten dazu zu divergierende Aussagen.

Der Staatsanwalt hatte zu Beginn der Verhandlung und in seinem Plädoyer darauf hingewiesen, dass "mit diesem Urteil eine generalpräventive Grenze zu ziehen sei" . Schon im nächsten Wahlkampf um den Wiener Landtag werde es darum gehen: "Was darf man, und was geht nicht?" Zudem gebe es "grundrechtsimmanente Schranken, nämlich dort, wo ich exzessiv ein Grundrecht ausübe, um das eines anderern zu beschneiden" . Auf die Frage des Richters, ob Winter solche Aussagen wieder tätigen würde, habe man "kein klares Nein gehört" , so Redtenbacher.

Dass die Aussagen Winter "passiert" seien, glaubte auch der Richter nicht, wurden sie doch teilweise schon zuvor in "Zur Zeit" und in einer Postwurfsendung publiziert. Er verurteilte die 51-jährige Juristin zu 24.000 Euro Geldstrafe und drei Monaten bedingt. Ein Urteil, das FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl als "Skandalurteil" einer "Gesinnungsjustiz" bezeichnet. (Colette M. Schmidt/DER STANDARD-Printausgabe, 23. Jänner 2009)