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Ioan Holender, geboren 1935 in Temeschwar (Rumänien), ist bereits seit 1992 Staatsoperndirektor.

 

 

APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER

Ioan Holender sprach mit Ljubiša Tošić und Thomas Trenkler


Standard: Wir dürfen bei Ihnen im Büro tatsächlich noch rauchen?

Holender: Gerne. Aber ich bin stolz darauf: Vor drei Jahren habe ich beim Opernball das Rauchverbot eingeführt. Man hat dagegen gewettert, jetzt ist es die Normalität.

Standard: Haben Sie es geschafft, dem Kanzler und dem Bundespräsidenten je 50.000 Euro für deren Proszeniumslogen beim Opernball am 19. Februar abzuknöpfen?

Holender: Nein, sie werden nix zahlen. Der Ball ist eine Veranstaltung der Staatsoper, aber er hat den Anspruch eines Balles der Republik. Es gibt aber zusätzliche Leistungen im allgemeinen Interesse, die wir abgegolten bekommen.

Standard: In welcher Höhe?

Holender: Das sind Detailfragen. Ich sag Ihnen nur: Wir bekommen unsere Leistungen honoriert.

Standard: Wie macht sich der neue Tanzlehrer Kummer?

Holender: Es war indiskutabel, dass die Staatsoper jedes Jahr derselben Tanzschule den Auftrag gegeben hat. Das war unfair. Die Idee von Frau Treichl, andere Tanzschulen zu beauftragen, ist gut. Es kommen ja auch Schüler aus den Bundesländern zur Eröffnung. Diese Grazer Tanzschule ist sicher in Ordnung. Und die Choreografie, die mehr oder weniger jedes Jahr die gleiche ist, wurde nie vom Inhaber jener Tanzschule gemacht, dem die Illustrierten nun derart viel Platz geben, sich zu artikulieren.

Standard: Mit der Fernsehübertragung sind Sie unzufrieden?

Holender: Ich finde es legitim, dass wir als Veranstalter ein Mitspracherecht haben beim Fernsehen, wo ja eine Million Menschen zuschaut. Ich finde, dass die Übertragung viel zu lange dauert - unverhältnismäßig lang. Aber bitte: Wenn man der Meinung ist, den Ball stundenlang übertragen zu müssen, dann sollte man nicht etwas Fades präsentieren. Wenn dieselben Moderatoren von denselben Plätzen denselben Gästen dieselben Fragen stellen und dieselben Antworten kriegen: Dann finde ich das eben fad. Da ist es nur logisch, dass man die Moderatoren austauscht. Aber was

Standard: Werden Sie wieder auftreten - als Kutscher oder so?

Holender: Schon die Frage ist eine Gemeinheit. Ich bin eben für die Eröffnung zuständig. Und ich versuche jedes Jahr etwas Neues zu präsentieren. Ich habe vor ein paar Jahren den Künstlereinzug eingeführt. Dann hat man vom Fernsehen gesagt: „Die kennt man nicht!" Was soll ich denn machen? Wir haben ja „nur" Opernsänger - Elina Garanča, José Cura, Michael Schade, Adrian Eröd usw. - und keine im Dschungel um Geld Kakerlaken verspeisende Adabeis. Ich weigere mich jedenfalls, mit Geldern der Staatsoper Filmstars einzufliegen. Anlässlich der Manon-Premiere trat Anna Netrebko in einer Kutsche auf. Und weil es eine Kutsche gab, brauchte es einen Kutscher, und der war ich, weil die Netrebko mich darum gebeten hatte. Das Pferd bekam sogar ein Honorar! Allerdings weniger, als der Stargast eines Baumeisters bekommt.

Standard: Wen bringen Sie heuer?

Holender: Heuer werden Tamar Iveri und Ramón Vargas auftreten - die Tatjana und der Lensky der Eugen Onegin-Premiere im März. Das wird ein Teil der „vokalen" Eröffnung sein. Danach könnte ich ja eigentlich nach Hause gehen.

Standard: Höre ich Eifersucht heraus, weil über die Produktionen der Staatsoper lange nicht so viel berichtet wird wie über den Ball?

Holender: Ich stelle nur fest, dass bei der Opernball-Pressekonferenz unendlich mehr Medien vertreten sind als bei Jahrespressekonferenz, bei der wir vorstellen, was wir 300 Abende lang spielen. Ich ziehe daraus nicht den Schluss, dass der Ball wichtiger ist als alles andere, was in diesem Haus geschieht. Auch wenn das Fernsehen und die Yellow Press das anders sehen.

Standard: Zwischen dem ORF und Ihnen hängt der Haussegen schief.

Holender: Nein. Er kann nur dort schief hängen, wo gestritten wird. Wir streiten nicht. Kultur im ORF-Fernsehen gibt es so gut wie nicht - und Oper schon gar nicht.

Standard: Abgesehen von den Salzburger Festspielen.

Holender: Na ja. Man überträgt zwar eine Produktion aus Salzburg, aber zumeist die falsche. Ich habe dem ORF die Uraufführung von Medea angeboten - einer kurzen Oper von Aribert Reimann nach Franz Grillparzer. Ich habe nicht einmal eine Antwort bekommen. Wir existieren für das ORF-Fernsehen nicht. Ich habe auch keine Hoffnung, dass die Kulturberichterstattung besser werden könnte. Das hat nichts mit der Finanzkrise des ORF zu tun, sondern mit den dafür Verantwortlichen. Ich verstehe, dass man lange Opern nicht überträgt. Aber es gäbe vieles, was man auch den a priori nicht operninteressierten Zuschauern zeigen könnte. Da müssten aber die Verantwortlichen das Theater und die Oper lieben. Und das tut niemand. Wir haben keine Kultursendung mehr im Fernsehen. Der Kulturauftrag wird nur mehr vom Hörfunk erfüllt.

Standard: Aber es gibt zumindest noch ein ORF-Orchester ...

Holender: Im ORF meint man, den Kulturauftrag durch die Existenz des Orchesters zu erfüllen. Das interessiert jedoch den Fernsehzuschauer nicht. Man kann von ihm nicht Gebühren verlangen, um ein Orchester am Leben zu erhalten.

Standard: Soll es sterben?

Holender: Nein, es wäre traurig, wenn das Musikland Österreich kein Rundfunkorchester hätte. Ich bin allerdings kein Todfeind der Ausgliederung. Wenn man das RSO mit einem garantierten Budget ausgliedert: Warum nicht? Das Orchester kann dann die Einnahmen für sich selbst lukrieren. Es würde halt teurer werden für das Theater an der Wien, wo das RSO Oper spielt. Das wäre ja auch in Ordnung. Selbstständig zu werden hat Vorteile: Es stärkt das Selbstvertrauen. Das wäre normaler als die gegenwärtige Abhängigkeit.

Standard: Haben Sie nicht unter den Folgen der Ausgliederung gelitten? Man wollte Ihnen sogar Ihre Rücklagen wegnehmen.

Holender: Man wollte. Es war ein Kampf, ja, aber ich habe ihn gewonnen. Hätten wir diese Reserven durch Mehreinnahmen nicht lukriert, wären wir genauso wie die Volksoper und das Burgtheater abhängig von dem, was man uns gibt.

Standard: Ihre Rücklage schmilzt aber. Kommen Sie durch bis zum Ende Ihrer Amtszeit 2010?

Holender: Ich versuche auszukommen. Aber derzeit sind die Einnahmen schlechter. Und ich glaube, es wird auch in den nächsten Monaten schlechter gehen. Es gibt ein paar Anzeichen für mich. Beispielsweise wenn die Tosca unter dem Einnahmensoll ist. Derzeit sind wir leider an vielen Tagen unter den Solleinnahmen. Uns trifft die Zurückhaltung der Menschen, die sich überlegen, wofür sie Geld ausgeben. Wir werden es überleben. Wir sind noch immer bei 96,18 Prozent Auslastung seit Beginn der Spielzeit. Auch wenn die Auslastung weiter sinkt, werden wir durchkommen. Aber wie hat man mich abschätzig genannt? Dagobert Duck! Hätte ich nicht die Reserven, müsste ich jetzt herumbetteln beim Finanzminister.

Standard: Hat es Sinn, sich mit den Philharmonikern zu streiten?

Holender: Ich streite nicht mit den Philharmonikern, denn in meine Zuständigkeit fällt das Orchester der Staatsoper - und nicht der Verein der Wiener Philharmoniker, dessen musikalische Darbietungen ich restlos bewundere. Nur eines möchte ich festhalten: Die Beschäftigungszeit des Staatsopernorchesters ist in den letzten 15 Jahren nicht mehr geworden. Sind Sie der Meinung, dass auch die Beschäftigung der Philharmoniker in dieser Zeit gleich geblieben ist?

Standard: Sie ist angewachsen.

Holender: Wenn jetzt also dieselben Menschen bei den Philharmonikern so viel mehr tun: Wo werden sie dann weniger anwesend sein - hier in der Staatsoper oder bei den Philharmonikern? Ich bin der Meinung, dass dieses Orchester unterbezahlt ist. Und ich habe versucht, einen neuen Kollektivvertrag auszuhandeln. Es hätte eine bessere Bezahlung gegeben, aber im Gegenzug auch eine engere Bindung der Musiker an das Haus. Das war dann aber nicht mehr gewünscht.

Standard: Ihre Zukunftspläne?

Holender: Ich werde für drei Musikinstitutionen als Konsulent arbeiten und schreibe ein Buch.

Standard: Salzburg sucht einen Festspielintendanten ab 2010. Wäre der Job nicht etwas für Sie?

Holender: Ich suche keinen Sommerjob. Aber wenn Sie mich schon fragen: Ich finde das Intendantenprinzip falsch. Es braucht einen Zuständigen für die Musik, der auch die Konzerte macht, und einen für das Schauspiel. Der Verwaltungsdirektor sollte zugleich auch der Präsident sein. Zurzeit gibt es ein voll bezahltes, fünfköpfiges Leitungsteam und eine Betriebsleiterin. Zu Zeiten Karajans gab es vier unbezahlte Direktoriumsmitglieder und einen Präsidenten. Die Festspiele haben damals nicht kürzer gedauert als heute. Und schlechter waren sie auch nicht. Eine Festspieldramaturgie im Sinne der Gründer gibt es nicht mehr. Nicht die Sänger werden für Werke engagiert, man setzt Werke für Sänger an. Salzburg ist jetzt ein Allerweltsfestival, man sollte Jürgen Flimm gehen lassen. Stellen Sie sich doch das nur einmal vor: Er fährt mit der Präsidentin nach New York, um das Programm zu präsentieren, und während er dort ist, verhandelt er in der Nacht mit Daniel Barenboim über Berlin! Das ist kabarettreif. Wenn ich Geschäftsführer wäre: Ich hätte Flimms Spesen nicht gezahlt.

Standard: Der Vertrag der Präsidentin soll angeblich noch einmal verlängert werden.

Holender: Ich höre das auch. Es ist offenbar so, dass Helga Rabl-Stadler für die Festspiele so unverzichtbar geworden ist wie der Lodenmantel für Salzburg. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.1.2009)