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Profikiller waren die beiden Mörder von Umar I. eher nicht, glauben Ermittler. Dazu sei der Anschlag zu chaotisch verlaufen. Denn der später gefundene Fluchtwagen sei nicht bereitgestanden.

Foto: APA/Polizei

Die Befürchtungen des am 13. Jänner erschossenen Tschetschenen sind bei den Verfassungsschützern in Bund und Land Wien nicht wirklich kommuniziert worden, sagt ein Insider.

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Wien - Nein, bei der Polizei habe es im Fall des erschossenen Tschetschenen Umar I. keine Fehler gegeben. In diesem Punkt war sich Innenministerin Maria Fekter (ÖVP)am Dienstag vor dem Ministerrat ganz sicher. Ihres Wissens habe die Familie gar "Polizeischutz dezidiert abgelehnt" , sagt die Ministerin vor Journalisten. Behördenintern ist man allerdings gar nicht sicher, ob in dem Fall des am Dienstag der Vorwoche Getöteten nicht doch mehr Schutz möglich gewesen wäre.

Denn wie ein Insider dem STANDARD berichtet, habe beim Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) ein einzelner Sachbearbeiter den Tschetschenen betreut. Mit anderen habe er aber nie darüber gesprochen, lediglich einem Ex-Kollegen, der im Bundesamt für Verfassungsschutz sitzt, habe er darüber berichtet. Auch dieser habe keine weitere Aktivität gesetzt, schildert der Informant.

Andererseits scheint die Besorgnis des späteren Mordopfers etwas unkonkret gewesen zu sein. Denn polizeiintern wird geschildert, der Mann habe sich von einem Mann in einem Auto beobachtet gefühlt - "er hat sich aber weder Nummerntafel noch Automarke oder Farbe gemerkt, als er sein Gefühl eine Woche später schilderte." Auf diese vage Verdachtslage hin sei ein Personenschutz eher unüblich.

Konträr stellt die Lage der Vater des 27-jährigen Flüchtlings dar. In einer öffentlichen Erklärung schreibt er klar von einem "unbekannten tschetschenischen Mann", der seinem Sohn wiederholt in der Nähe seiner Wohnung begegnet sei. Wobei unklar bleibt, woher er wusste, dass der Fremde ein Tschetschene war.

Darüber hinaus habe es bereits im Sommer 2008 einen Vorfall gegeben. Ein Landsmann habe Umar I. mehrmals getroffen und versucht, ihn zu einer Rückkehr nach Tschetschenien zu bewegen. Dann habe dieser Mann plötzlich einen Asylantrag gestellt - und berichtete dabei von einer "Todesliste" mit 300 Namen in der Residenz des Präsidenten Ramzan Kadyrov. Asyl bekam er allerdings nicht - er zog seinen Antrag zurück und verschwand, sagt der Vater. Was wiederum die Polizei gänzlich anders darstellt. Der Mann sei wegen versuchter Nötigung festgenommen und danach abgeschoben worden.

Die Frage, ob Umar I. rechtzeitig Polizeischutz bekommen hätte können, wird in jedem Fall die Gerichte beschäftigen. Denn der Anwalt der Witwe und ihrer drei Kinder kündigte eine Klage gegen die Republik an, wie er der Austria Presse Agentur bestätigte. Wann er wegen der Verletzung des in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierten "Rechts auf Leben" prozessieren will, steht noch nicht fest - wie im ganzen Fall noch einiges unklar ist. In Ermittlerkreisen kann man beispielsweise den Medientheorien von den Profikillern, die im Auftrag eines Geheimdienstes unterwegs waren, nicht allzu viel abgewinnen.

Warten auf Fluchtauto

Denn dafür sei der Tatablauf zu chaotisch gewesen. So wurde der Mann in der Nähe seiner Wohnung in Wien-Floridsdorf von den beiden Unbekannten offenbar zunächst noch angesprochen, ehe diese drei Schüsse auf ihn abgaben. Vor allem stand laut Zeugenaussagen aber der Fluchtwagen nicht bereit; die beiden Täter versuchten zunächst vorbeifahrende Autos zu stoppen, ehe ein Komplize mit einem blauen Volvo kam, mit dem das Trio verschwand.

Dass es ein bezahlter Mord war, will niemand ausschließen, allerdings dürfte er eben nicht von hauptberuflichen Killern ausgeführt worden sein. Der am Samstag verhaftete Besitzer des später gefundenen Fluchtwagens beteuert weiter seine Unschuld. Auch das Motiv ist offiziell noch völlig im Dunkeln. Ein politischer Hintergrund liegt aber nahe, da nach den Ermittlungen bisher keinerlei Indizien in eine andere Richtung, etwa ein Streit um Geld oder Glücksspielgewinne, vorliegen.

Wirkliche Angst scheint der Mord in der tschetschenischen Gemeinschaft in Österreich aber nicht ausgelöst zu haben. Bei der Wiener Staatsanwaltschaft weiß man nichts von neuen Anzeigen oder Ansuchen um Personenschutz. (Michael Möseneder, DER STANDARD - Printausgabe, 21. Jänner 2009)