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30 schädliche Substanzen konnten nachgewiesen werden, die sich im Laufe der Jahrzehnte in den Alpen ansiedelten - etwa DDT, aber auch das Pestizid Mirex, das in diesen Breiten nie eingesetzt wurde.

Foto: APA/EPA/OLIVIER MAIRE

Quer über den Globus verfrachtete langlebige organische Schadstoffe (kurz POPs) schlagen sich bevorzugt in kalten Regionen nieder. Was für die Arktis bekannt ist, wurde nun auch für die Alpen gezeigt.

Der Gebirgszug mit seinen relativ niedrigen Temperaturen und hohen Gipfeln ist eine Barriere für die Luftmassen über Europa und somit ein wichtiger Indikator für die gesamte Region. Das Umweltbundesamt legt mit dem EU-geförderten Projekt MONARPOP (Monitoring Network in the Alpine Region for POPs and other Pollutants) erstmals Daten vor. Gemeinsam mit 13 Partnerinstitutionen aus Österreich, Italien, Slowenien, der Schweiz und Deutschland wurden seit 2004 Menge, Herkunft, Verbreitung und Verbleib von insgesamt 30 Substanzen erfasst.

Das Monitoring - in Österreich im Auftrag des Lebensministeriums - ist Teil des Nationalen Aktionsplans zur Einhaltung der Stockholm-Konvention der UN zur Reduktion der POP-Belastung und soll "in den UNO-Gremien, welche die Konvention weiterentwickeln, eine Stimme für den Alpenraum sein", sagt Projektleiter Peter Weiss. Anlass für diese Konvention (seit Mai 2004 in Kraft) waren zwölf - so treffend als "dreckiges Dutzend" bezeichnete - Substanzen, darunter Pestizide und Industriechemikalien. POPs reichern sich über die Nahrungskette an und betreffen so auch den Menschen, der sie in den meisten Fällen selbst erzeugt hat. "Wir erfassen bekannte Umweltgifte, deren Wirkung von krebserregend über hormonell wirksam bis erbgutverändernd reicht, aber auch als POPs verdächtigte Stoffe" , erklärt der Spezialist für Bioindikation.

Mit Spezialgerät am Gipfel

Da fast alle Alpenstaaten mitmachten, ergaben die 40 Probepunkte ein geeignetes Gesamtbild der relativen Belastung. Für das Forschungskonzept wurden sogenannte Hintergrundstandorte ausgesucht, die möglichst weit entfernt von lokalen POP-Quellen liegen und nicht bewirtschaftet werden.

Die vier erfassten Medien Luft, Deposition (Staub, Schnee, Regen), Fichtennadeln und Boden lassen unterschiedliche Schlüsse zu. Dass die Probenahmegeräte für die laufende POP-Belastung an Alpengipfeln eigens entwickelt wurden, stieß in der Fachwelt ebenfalls auf großes Interesse: "Auf den Gipfeln herrschen extreme Bedingungen - nur an 50 Tagen im Jahr hat es über null Grad. Wir sammeln unter solchen Extremen ferngesteuert die POPs, die insgesamt in nur winzigen Konzentrationen vorkommen", sagt Peter Weiss stolz.

Auf dem Weißfluhjoch (CH), der Zugspitze (D) und dem Sonnblick (A) wird die POP-Konzentration in der Luft getrennt nach Herkunft der Luftmassen und der Eintrag über Deposition erfasst. Die Herkunftsprognose für die gezielte Steuerung der vier Filterköpfe liefert die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG).

Halbjährlich pflückten Profikletterer Fichtennadeln aus dem Kronendach vergleichbarer Waldstandorte. Fichtennadeln speichern in ihrer Wachsschicht die fettlöslichen POPs und geben preis, wie viel die alpine Pflanzenwelt pro Wachstumsperiode abbekommt. Sieben Höhenprofile gaben wiederum Auskunft über die Verteilung der Schadstoffe vom Tal bis in die Berglagen, und Bodenproben (genauer der Auflagehumus) zeigen an, wie viel in den vergangenen Dekaden hängengeblieben ist.

Was banal klingt, musste erst einmal bewiesen werden und hat in der Deutlichkeit auch die Fachleute überrascht: "Wir haben alle 30 Stoffe nachgewiesen, wobei die alpinen Randlagen durch die Bank mehr abbekommen als der Zentralraum", so Weiss. DDT etwa, 1948 nobelpreiswürdig und seit den 70ern in Europa verboten, belegt bei der Gesamtbelastung immer noch Platz zwei der untersuchten Schadstoffe hinter den polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAH), die bei jeglicher Verbrennung von organischem Material (Hausbrand, Verkehr, Industrie) anfallen. Das Pestizid Mirex, in Mitteleuropa nie im Einsatz, ist mitten im Kontinent zu finden. "Noch zeichnet sich kein Trend ab, aus welchen Richtungen die höheren Belastungen kommen", meint Weiss. Die Messungen werden bis vorerst Ende 2010 weitergeführt. (Astrid Kuffner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21. Jänner 2009)