Entwickler wollen den Skifahrer wie ein rohes Ei schützen.

Montage: Standard/Thomas Korn

Neuerdings sind Doppeldecker auf den Skipisten unterwegs. Äußerst stabil sei er, der doppelte Ski, loben Rennfahrer wie Benni Raich oder Michael Walchhofer, er halte auch auf harten und eisigen Pisten. Je nach Version verändert der Ski während der Fahrt den Kantenradius oder das Biegeverhalten. Über die beiden miteinander verschraubten Decks lässt sich Kraft besser einsetzen und verteilen. Das starre Oberdeck verteilt die Kraft des Skifahrers, das flexible Unterdeck passt sich der Piste an.

Diese Eigenschaften könnten künftig auch fortgeschrittenen Hobbysportlern nutzen, sagt Erich Müller, Sportwissenschafter an der Universität Salzburg: "Der Vorteil ist, dass dieses Gesamtskisystem sehr flexibel auf die Pistenbeschaffenheit reagiert." Was nicht nur die Sicherheit, sondern auch den Spaßfaktor erhöhe. Womit wir bei den wesentlichen Zielen der Skiforschung wären: Steigerung von Komfort und Sicherheit.

Skier, die sich Skifahrenden und Pistenverhältnissen anpassen, beschäftigen seit Jahren Forschung und Hersteller. Erich Müller nennt die wichtigsten Erkenntnisse für den Breitensport: "Ski und Bindung für weniger sportliche Skiläufer wurden wesentlich leichter, weil neue Kunststoffe Aluminium und schwerere Materialien ersetzen. Das Biege- und Spannungsverhalten wurde optimiert, ohne die physikalische Eigenschaft des Skis zu verändern." Der Sicherheitsvorteil: Leichteres Gerät schützt vor schneller Ermüdung und senkt die Verletzungsgefahr.

Skisport sei Freizeitspaß mit hohem Erholungswert, sagt Michael Hasler vom Innsbrucker Technologiezentrum Ski- und Alpinsport. Als wesentliche Aufgabe der Forschung sieht er deshalb, "die Verletzungssituation zu verbessern".

Der virtuelle Skifahrer

Einer, der jede nur mögliche Verletzung durchmachen muss, ist Numerus, der virtuelle Skifahrer. An ihm simulieren die Experten des Technologiezentrums alles, was einem auf der Piste so zustoßen kann. Die Verletzungsmechanismen werden analysiert, Möglichkeiten der Vorbeugung oder Folgenminimierung gesucht - seit September gemeinsam mit italienischen Forschungseinrichtungen in einem Interreg-Projekt. Experimentelle Analysen in den Bereichen Körper, Knie, Skischuh und Kopf sollen zu neuen Produkte führen, die Verletzungsprävention möglich machen.

Numerus probiert nicht nur Skier mit verschiedenen Eigenschaften aus, man wird ihm auch ein gemeinsam mit amerikanischen Wissenschaftern entwickeltes Kniemodell einbauen "und schauen, was passiert" (Hasler), um dann zu verstehen, welche Kräfte bei welchen Stürzen auf das Knie einwirken. Ziel des Forschungsprojektes ist, Grunddaten für die Veränderung von Ski, Schuh und Bindung zu liefern.

Zukunftsmusik bleibt der über Sensoren elektronisch gesteuerte Ski. Bindungen, die elektronisch zurückmelden, ob man richtig in der Bindung steht, ob der Kontakt von Bindungskopf zu Skischuh passt oder die Einstellung stimmt, sind zwar bereits erhältlich, aber nicht der Renner. Der Grund dürften die hohen Kosten sein, vermutet Erich Müller.

Warme Füße, heile Zähne

Der beste Sensor, weiß Michael Hasler, ist der Fuß. Er kontrolliert den Ski, vorausgesetzt, er wird nicht durch drückende oder nasse Schuhe gemartert. Michael Hasler: "Ein Skischuh soll ja möglichst eng anliegen, um die Kraft optimal auf den Schnee zu bringen. Dadurch kann aber Druck auf oberflächliche Blutgefäße entstehen, wodurch die Durchblutung gestört wird." Ein weiteres Problem sind kalte Füße durch Nässestau im Schuh. Gemeinsam mit dem Institut für Textilchemie und Textilphysik der Uni Innsbruck wird nach neuen Materialien, "eventuell Naturmaterialien" (Hasler), gesucht, die den Feuchtigkeitshaushalt verbessern.

Eine Herausforderung für Forschung und Entwicklung ist die Optimierung von Skihelmen. Da Helme auch wärmen sollen, dämpfen sie die Geräusche. Die Wärmefunktion beeinträchtige das Gehör und verfälsche, so Hasler, das Geschwindigkeitsgefühl. Das Ziel ist ein wärmender Schutz, der auch die Geräuschkulisse durchlässt.

Was man von Eishockey-Cracks und Boxern kennt, wird künftig auch auf Pisten zu sehen sein: der Zahnschutz. Am Landeskrankenhaus Bozen arbeitet man intensiv an einem Protektor, der Reden und Trinken zulässt. Der Nebeneffekt des Schutzes: Er kann durch seine individuelle Anpassung Kieferfehlstellungen regulieren. Was wiederum den Gleichgewichtssinn, der durch Fehlstellungen gestört sein kann, positiv beeinflusst.

Wirkliche Vorteile durch technische Innovationen haben aber nur jene, die mit Hirn fahren. Müller: "Die Technologie hilft jenen, die vernünftig fahren, weil sie das System noch besser beherrschen und rascher reagieren können." Durch das differenzierte Angebot an Geräten sei Skifahren sicherer geworden. Deshalb sei es Ziel der Forschung, "noch stärker auf die Bedürfnisse einzelner Zielgruppen einzugehen, "sehr differenzierte Produkte" zu schaffen.

Zu den interessantesten Zielgruppen zählen für die Sportwissenschafter - die Parallele zum Tourismus dürfte nicht zufällig bestehen - die Seniorinnen und Senioren. So arbeiten die Salzburger an einem breitangelegten Forschungsprojekt zum Thema "Gesundheitsfördernde Wirkungen durch regelmäßiges Skifahren im höheren Alter". Ein gezieltes Bewegungsprogramm bringe 60- bis 80-Jährigen gesundheitliche Vorteile: Wer seiner Konstitution und seinem Können angepasst fahre, dementsprechend Skipisten und Gerätschaft auswähle, könne dem Abbau von Muskelmasse, Koordinations- und Gleichgewichtsfähigkeit und sogar Depressionen vorbeugen, lautet eine der Kernaussagen.

Überprüft wird die These durch eine Interventionsstudie von vier europäischen Arbeitsgruppen. (Jutta Berger, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21. Jänner 2009)