Linz - Arbeiten mit behinderten Akteuren gehören zu den riskantesten Projekten in der zeitgenössischen Choreografie. Daher sind sie überaus selten und dann auch noch ganz selten gut. Bei Linz09 war nun eine der bekanntesten Gruppen des integrativen Tanzes (eine Zusammenarbeit von behinderten und nichtbehinderten Künstlern) zu Gast: Candoco aus Großbritannien.

Candoco (der Name bedeutet "Can do Company" ) wurde 1991 gegründet und ist mit dem Amerikaner Alito Alessi, der deutschen Ikone Raimund Hoghe und der in Japan arbeitenden Choreografin Manri Kim eine der unverzichtbaren Größen in der tänzerischen Auseinandersetzung mit dem "anderen" Körper. Während Hoghe, der im Februar ebenfalls in Linz auftreten wird, seinen besonderen Körper in ein ästhetisch radikales Bezugsfeld aus politischen Diskursen setzt, das weit über alle Selbstreferenzialität hinausgeht, setzt Alessi mehr auf integrative Workshoparbeit, für die er weltweit bekannt ist.

Manri Kim arbeitet in ihrer Troupe Taihen mit Schwerstbehinderten, die allein durch ihr Erscheinen auf der Bühne bereits ein starkes Statement abgeben. Im Vergleich dazu zeigte der Candoco-Abend im Linzer Posthof eine ganz andere Strategie: jene der feineren Irritationen gegenüber dem "normativen" Tänzerkörper. Candoco kommt also leichter daher als die Troupe Taihen, die bisher übrigens von nur wenigen europäischen Veranstaltern eingeladen wurde. Eine Berühmtheit bei Candoco, der beinlose Tänzer David Toole, war 2003 bei ImPulsTanz in dem Stück The Cost of Living des DV8 Physical Theatre zu sehen, das von Nigel Charnock mitgegründet wurde.

Charnock wiederum erarbeitete mit den wunderbaren Candoco-Tänzern das Stück Still, eine wilde, ironische bis sarkastische Variation über Liebe, Lust und Tod, die gemeinsam mit The Perfect Human von Hofesh Schechter den Linzer Abend bildete. Beide Choreografen schaffen intensive Atmosphären und einprägsame Momente, die beim Publikum auf großen Beifall stießen.

Hierzulande immer noch ein politischer Akt ist der Auftritt schwarzafrikanischer Tänzer. Die in Österreich von ImPulsTanz und Tanzquartier Wien her wohlbekannten kongolesischen Studios Kabako zeigen als nächsten Programmpunkt am 22. und 23. Jänner in Airan Bergs Linzer Tanzkuratierung ihr "Festival der Lügen" . Faustin Linyekula versucht, mit dem Kommunikationsmittel Lüge Äquivalente zu der gewaltvollen Geschichte des Kongo zu projizieren. Statt einer Kunstblutorgie gibt es Party, Speis und Trank in dieser etwas anderen Art, Geschichte künstlerisch zu reflektieren. (Helmut Ploebst, DER STANDARD/Printausgabe, 21.01.2009)