Nach dem Mord an dem 27-jährigen Tschetschenen Umar I. in Wien hat das Innenministerium am Dienstag bestätigt, dass bereits im Juni 2008 ein Asylwerber der Polizei von einem Tötungs-Auftrag gegen das spätere Opfer berichtet hatte. Der Mann bezeichnete sich als Agent und wurde nach Drohungen gegen Umar I. festgenommen, bestätigte Ministeriumssprecher Rudolf Gollia einen entsprechenden "Falter"-Bericht. Gegen den Asylwerber wurde zwar Anzeige erstattet, danach wurde er allerdings abgeschoben.

"Er hat in erster Linie den Auftrag gehabt, ihn (Umar I. Anm.) zurückzuholen", so Gollia zu dem Inhalt der Aussage. Dabei habe er schon zum Ausdruck gebracht, dass der Tschetschene sterben müsse, falls es ihm nicht gelinge, den 27-Jährigen in die Heimat zu bringen. Weiters habe der Festgenommene von jener Liste in Tschetschenien berichtet, auf der 300 Todeskandidaten bzw. Zielpersonen von Verbrechen aufgelistet sein sollen. Die Mitteilungen des Mannes will das Innenministerium nicht bewerten: "Er hat dies ausgesagt", betonte der Ministeriumssprecher. "Ob das ein Agent war, das können wir nicht bestätigen." Zur Existenz der erwähnten Liste könne man ebenfalls nichts sagen.

Mann wurde angezeigt und abgeschoben

Wegen versuchter Nötigung wurde der Festgenommene aus der Heimat von Umar I. am 11. Juni 2008 laut Staatsanwaltschaft Wien angezeigt. Nach Erhebungen mündete die Anzeige in einem Vorhabensbericht. Dieser sei an das Justizministerium weitergeleitet worden und würde nach wie vor dort liegen, so Staatsanwaltschafts-Sprecher Gerhard Jarosch. Dass Umar I. bereits im Sommer 2008 bei der Polizei Hilfe gesucht hatte, ist seit vergangenem Freitag bekannt. Damals hieß es, dass "kein Strafbestand" vorgelegen sei: Der getötete Tschetschene sei genötigt worden, seine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zurückzuziehen, so Jarosch am 16. Jänner. Laut dem EGMR wurde der Antrag nach der Einreichung im November 2006 allerdings gar nicht weiterverfolgt und daher längst gelöscht.

Der Asylwerber, der Umar I. bedroht hatte, wurde nach der Anzeige in Schubhaft genommen und zurück in die Heimat geschickt. "Die Abschiebung war eine fremdenpolizeiliche Entscheidung", so Gollia. Der Mann habe seinen Antrag zurückgezogen, zudem seien keine Asylgründe vorgelegen. Weitere Schritte erfolgten nicht, auch ein Schutz für den vergangene Woche ermordeten Umar I. wurde trotz der Ankündigung des angeblichen Agenten nicht in die Wege geleitet.

"Keine konkrete Bedrohung erkannt"

"Die Frage der Bedrohung wurde immer wieder diskutiert", so Gollia dazu. "Es konnte leider keine konkrete Bedrohung erkannt werden." Es habe im vergangenen Jahr mehrere Kontakte zur Polizei wegen Schutzmaßnahmen gegeben, bestätigte der Sprecher den "Falter"-Bericht. Diese Ansuchen seien durch seine Flüchtlingsbetreuer, darunter Anwältin Nadja Lorenz, erfolgt. Laut "Falter" nahm auch eine Menschenrechtsorganisation Kontakt mit der Polizei auf. Sie baten laut dem Blatt um Personenschutz, da Umar I. wie die ermordete Journalistin Anna Politkowskaja ein Kronzeuge sei.

Umar I. war am 13. Oktober in der Ostmarkgasse in Floridsdorf auf offener Straße erschossen worden, drei Projektile steckten in Oberkörper, Arm und Bein. Verdächtigt werden zwei Männer, die den Tschetschenen verfolgt hatten, einer davon war mit einer länglichen silbergrauen Pistole bewaffnet. Bei der Flucht stiegen die beiden in einen grünen Volvo, der einem bereits verhafteten 40-jährigen Tschetschenen gehört. Er hat den österreichischen Namen Otto Kaltenbrunner angenommen und wird beschuldigt, als Chauffeur gedient zu haben. (APA)